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Ried zur Lag vun der Natioun: Prozedure vereinfachen ass gutt, ma d‘Politik muss méi!

Seine erste Rede zur Lage der Nation hat der Premierminister auch unter den Leitfaden gestellt, die zentrale Verantwortung der Politik sei es, heute Entscheidungen für die Zukunftsgestaltung zu treffen. Dies mag banal klingen, und doch ist es positiv, wie sehr der Premier diesen Punkt immer wieder betont. Denn häufig stehen ja gerade vermeintliche kurzfristige Interessen längerfristigen u.a. ökologischen Herausforderungen im Wege.

 

Es scheint auch verständlich, dass der Premierminister die häufig beschworenen „Sorgen“ der Menschen und Betriebe aufgreift und entsprechend die Vereinfachung der Prozeduren in den Fokus rückt. Auch der Mouvement Ecologique sieht hier, wie wohl jeder, Handlungsbedarf.

 

Aber: die gut strukturierte Rede wirft ein grundsätzliches Problem auf: Es wird der Eindruck vermittelt, als ob sich diese verantwortungsbewusste Zukunftsgestaltung primär durch optimierte und vereinfachte Prozeduren sowie durch Reformen von bestehenden staatlichen Beihilfen erreichen ließe.

 

Die Energiewende, der Klima- und der Biodiversitätsschutz, eine nachhaltige Siedlungsentwicklung, aber auch der Schutz unserer Gewässer und Quellen, kommen nicht primär aufgrund von Prozedurproblemen im unzureichenden Maße zustande. Dafür gibt es andere tieferliegendere Gründe – dafür braucht es auch zum Teil grundsätzlichere Reformen. Und gerade diese thematisiert der Premierminister leider nicht.

 

Und genau hier liegt dann auch das erhebliche Manko der Erklärung.

 

Im Aufgreifen der wirklichen relevanten Handlungsfelder ist die Rede somit unzufriedenstellend. Folgende Beispiele illustrieren dies:

  • Der Premier hat angekündigt, z.B. die Energiepreisdeckelung auch an soziale Kriterien zu binden, ebenso wie die Subventionen für Fahrräder. Dies mag teilweise korrekt sein.Doch man ist weit von einer sozialgerechten Transformation entfernt, wenn man lediglich bestehende Subventionen für bestimmte Gruppen kürzt oder streicht, und nur für finanzschwächere Haushalte beibehält. Es ist noch Mehrwert für finanzschwache Haushalte, wenn ihnen lediglich bestehende Subventionen nicht gekürzt oder minimal erhöht werden.Eine wirklich sozialgerechte Politik zur Förderung der Transition geht weit darüber hinaus. Dafür sind regelrechte neue Strategien und Programme für diese Bevölkerungsteile notwendig.Dass erneut zum x-ten Mal nur die Verbesserung der Rolle der Klimabank und der Vorfinanzierung von staatlichen Subventionen in bestimmten Fällen angekündigt wird, ohne dass endlich konkretere Maßnahmen benannt werden, ist eigentlich nicht tragbar. Denn die Majoritätsparteien hatten bereits in den Wahlen angekündigt, sie würden in diesem Bereich Nägel mit Köpfen machen und Verbesserungen herbeiführen. In der Rede zur Lage der Nation bleibt es erneut bei einer Ankündigung.Dass aber auch die Fragestellung der energetischen Sanierung bzw. des Ausbaus der erneuerbaren Energien bei Mietwohnungen im Bestand in keiner Form thematisiert wurde, ist ebenfalls höchst problematisch.Maßnahmen für eine stärkere Verknüpfung von Sozialem und Ökologie können nicht darauf fußen, lediglich Subventionen für finanzschwache Haushalte nicht zu streichen. Über derartige isolierte Maßnahmen, deren Umsetzung dann auch noch auf sich warten lässt, wären erste konkrete Eckwerte einer Strategie im Sinne ökologisch-sozialen Transition notwendig gewesen.
  • Es besteht darüber hinaus ein sehr breiter Konsens, dass neben einzelnen Subventionen vor allem auch die Abschaffung kontraproduktiver Subventionen die Voraussetzung schlechthin für die ökologische Transition ist. Sprich: die Abschaffung staatlicher Subventionen, welche die Klima- und Biodiversitätskrise befeuern, eine Durchleuchtung des staatlichen Budgets inwiefern staatliche Gelder effektiv zielführend eingesetzt werden („green budgeting“), die Abschaffung falscher finanzieller Steueranreize usw. Diese Maßnahmen sind nicht nur von essenzieller Bedeutung aus der Sicht des Biodiversitäts- und Klimaschutzes, sondern auch aus finanztechnischer Sicht. Denn sie erlauben dem Staat Hunderte Millionen an Euro einzusparen. Dies wäre eigentlich gerade in Zeiten, wo manch sich fragt, wie die Finanzierung bestimmter Maßnahmen sichergestellt werden kann, ein Must. Warum diese so wichtigen Instrumente nicht einmal ansatzweise in den längeren Exkursen zu den Subventionen erwähnt werden, ist nicht nachvollziehbar …

 

Wurden diese und andere Instrumente nicht angeführt, weil es sich hier um wirklich strukturelle Reformen handelt?

 

Die fehlende Faktenlage ist ein weiteres großes Manko der Rede.

Die Bezuschussung des Kaufs von neuen E-Autos soll reduziert werden, dies mit dem Argument, E-Autos seien erschwinglicher geworden. Es gibt im ökonomischen Bereich den Ausdruck der „Preiselastizitäten“: Dabei wird untersucht, welche finanzielle Anreize notwendig sind, damit der Einzelne eine bestimmte Kaufentscheidung trifft. Aufgrund fehlender Informationen bzw. Analysen seitens des Premiers ist nicht erkennbar, welche negativen Auswirkungen die Kürzungen haben werden.

Der Mouvement Ecologique jedenfalls erwartet konkretere Informationen seitens des Premiers, mit welchen er belegt, dass der Kauf von E-Autos nicht einbrechen wird. Denn Fakt ist: E-Autos haben sich – besonders was erschwinglichere Modelle anbelangt – noch nicht durchgesetzt und eine Technologie braucht eine gewisse Zeit eine staatliche Unterstützung. Erst wenn sie sich etabliert hat, kann diese reduziert oder neuorientiert werden. Ist dies bereits der Fall bei der E-Mobilität? Auf welchen Berechnungen basiert die Neuausrichtung der staatlichen Subventionen? Ohne derartige Sachinformationen ist es kaum abschätzbar, ob die Reformen riskieren zu einem Einbruch beim Verkauf von E-Wagen zu führen oder nicht. Wie der Mouvement Ecologique auch dem Premier in einer Unterredung mitgeteilt hatte, wäre es vor allem sinnvoll gewesen, den Kauf besonders energieverzehrender Autos mit einer Abgabe bei der Immatrikulation zu belegen. Dies ist in Frankreich der Fall und hat dazu geführt, dass Menschen zur Kasse gebeten werden und eine Abgabe (das sogenannte Malus-System) für die Belastungen die durch ihre besonders energieverzehrenden Autos entstehen, zahlen müssen. Eine Politik sollte nicht nur auf Anreize, sondern auch auf die Wahrung des Verursacherprinzips setzen.

Der Mouvement Ecologique war zudem immer Kritiker des pauschalen Energiepreisdeckels. Insofern sind Korrekturen a priori angebracht. Aber: Es fehlt auch hier an jedwedem Zahlenmaterial das belegt, aufgrund von welchen Fakten (Preisberechnungen, Auswirkungen auf unterschiedliche Haushaltsgruppen usw.) die angekündigten Neuerungen entschieden wurden. Auch die Konkurrenzfähigkeit von Strom gegenüber Gas wird nicht thematisiert.

 

Der Mouvement Ecologique tritt immer wieder dafür ein, dass Entscheidungen aufgrund von nachvollziehbaren Fakten und Zielen getroffen werden. Die Ankündigungen wurden aber nicht mit derartigen Informationen verknüpft.  

 

In diesem Zusammenhang ist anzuführen, dass gemäß der Rede zur Lage der Nation der Zugang zu Informationen für Journalisten verbessert werden soll. Leider wurde die notwendige Verbesserung des Zugangs zu Informationen für Bürger:innen aber nicht mal erwähnt. Soll demnach das völlig unzureichende derzeitige „Informationsverhinderungsgesetz“ für Bürger:innen nicht überarbeitet werden? Dann würde es wohl auch wenig Sinn machen, die angeführten Hintergrundinformationen zum Bericht zur Lage der Nation nun anzufragen…

 

Demnach: es ist gut, dass administrative Hürden vereinfacht werden sollen. Wie dies jedoch im Detail aussehen soll, ist nicht gewusst. Allein auf Vereinfachung von Prozeduren bzw. Reformen von einzelnen staatlichen Beihilfen zu setzen, ohne grundlegendere, auch gesellschaftspolitisch relevante(re) Reformen anzugehen, stellt aus Nachhaltigkeitssicht  keinen reellen Fortschritt dar.

 

Mouvement Ecologique asbl.

 

Der Mouvement Ecologique hat zudem die Ankündigung betreffend die Kompensierungen im Naturschutzbereich im Siedlungsbereich zur Kenntnis genommen. Die doch recht allgemeinen Aussagen des Premierministers lassen derzeit aber keine wirkliche Analyse zu. Vor allem aber wird die Frage ausgeklammert, wie unsere Siedlungen durch eine bessere Durchgrünung auch resistenter gegen die sicher eintretenden Hitzeperioden gewappnet werden können. Dabei ist dies aus Gesundheitsschicht und zur Verbesserung der Lebensqualität dringend geboten.

 

Der Mouvement Ecologique wird in 2-3 Wochen deshalb ausführlicher auf dieses Thema eingehen.

 

Sie finden die Stellungnahme als PDF in den Downloads.

 

13.06.24