Vorschläge zur Reform der Jagdpraxis in Luxemburg

Derzeit wird in diversen Sitzungen auf nationaler Ebene über die Reform der Jagdpraxis diskutiert. Lëtzebuerger Privatbësch,Pro Silva Lëtzebuerg, Wiltzer Waldverein, Mouvement Ecologique, natur&ëmwelt, Fondation Hëllef fir d‘Natur, PEFC sowie FSC reichten gemeinsam folgende Stellungnahme ein. Das Ziel: Begrenzung der Wilddichte, damit die Luxemburger Wälder überleben können.

 

 

  1. Grundsätzliches
  • Auf Grund der zu hohen Wilddichten ist eine natürliche Verjüngung hin zu artenreichen, klimaresilienten Wäldern heute nicht realisierbar. Pflanzungen erfordern erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen für ihren Schutz, wobei der Erfolg teilweise gering ausfallen kann.
  • In dieser Diskussion geht es nicht um einen Interessensausgleich zwischen Jagd und Waldbesitzer, sondern um den Wald als Ganzes – um seine Fähigkeit, sich zu regenerieren und damit seine vielfältigen Ökosystemleistungen für die Gesellschaft langfristig zu sichern.
  • Wissenschaftlich wurde erwiesen, dass der selektive Verbiss des Rehwildes bei einer Überpopulation zu einer Entmischung führt mit einem dramatischen Impakt auf das Ökosystem Wald. Dokumentierte Praxisbeispiele zeigen, dass eine Reduktion auf eine tragfähige Rehwildpopulation eine viel intensivere Bejagung erfordert als derzeit üblich. In Verbindung mit der Problematik des Rotwildes und des Schwarzwildes -insbesondere in der Landwirtschaft- wird in Zukunft ein erheblicher zusätzlicher Zeitaufwand bei der Jagd erforderlich sein.
  • Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, sowohl die derzeitige Jagdpraxis als auch das aktuelle Revierpachtsystem grundlegend zu hinterfragen.
  • In der Zwischenzeit sollen:
  • Das zeitliche Angebot für die Jägerprüfung substanziell erweitert werden, damit mehr neue Jäger ausgebildet werden können.
  • Die ganzjährige Vermarktung von Wildfleisch unterstützt und ausgebaut werden.
  • Wildprodukte aus Luxemburger Abschüssen als solches gekennzeichnet und durch eine entsprechende Kampagne beworben werden.
  • Eine klare Methode der Schadenserhebung im Wald definiert werden. Die Waldbesitzer müssen beim Erheben begleitet und unterstützt werden. Die Kommunen und der Staat müssen beginnen im öffentlichen Wald auch Schadensersatz zu verlangen.

 

 

  1. Ökologische Mission
  • Das Jagdrecht darf ausschließlich aus der Notwendigkeit der Erhaltung des Gleichgewichts zwischen Fauna und Flora im natürlichen Lebensraum abgeleitet werden.
  • Die tatsächliche Ausübung des Jagdrechts soll verpflichtend werden, um den Wilddruck mit einer natürlichen oder künstlichen, vielfältigen Waldverjüngung in Einklang zu bringen.

 

 

  1. Wissenschaftliches Monitoring
  • Jedes Jagdlos soll durch die Natur und Forstverwaltung mit wissenschaftlichen Monitoring-Instrumenten ausgestattet werden, um den Einfluss des Wildes auf die Waldverjüngung bewerten zu können.

 

 

  1. Messbare Zielsetzung
  • Hauptziel der Jagd muss eine vielfältige natürliche Waldverjüngung sein.
  • Diese muss außerhalb von Zäunen möglich sein, vorausgesetzt alle forstlichen Rahmenbedingungen für das Gelingen sind erfüllt.
  • Diese Verjüngung muss mehrere Arten umfassen, die im ökologischen Leitfaden festgelegt sind.
  • Als Zeigeart gilt die Eiche. Mit dem Aufkommen der Eiche kann die natürliche Waldverjüngung auch für die Landwirtschaft eine taugliche Zielsetzung werden. Um eine Eichenverjüngung zu sichern, muss auch der Schwarzwildbestand auf ein angemessenes Niveau reguliert werden, da diese im Winter die Eicheln als Hauptnahrungsquelle nutzen.

 

 

  1. Sanktionen bei Nichterfüllung
  • Es sollen klare Sanktionsmöglichkeiten geschaffen werden, wenn Verpflichtungen und Ziele nicht eingehalten werden.

 

 

  1. Auswahl der Jagdpächter
  • Pächter sollen auf Grundlage eines detaillierten Verpflichtungsdossiers ausgewählt werden, das u. a. Folgendes beinhaltet:
  •  Anzahl der verpflichteten Jäger und Einsatzmittel zur Steuerung des Wildbestands.
  •  Konkrete Maßnahmen zum Erreichen eines Gleichgewichts zwischen Wild und Wald.
  • Auswahl nach Einsatzbereitschaft von Zeit und Mittel.

 

 

  1. Pachtverträge und Verlängerung
  • Laufzeit: Erstverträge über drei Jahre, verlängerbar jeweils um weitere drei Jahre.
  • Bei nachgewiesener Verschlechterung (gemäß Monitoring durch die Natur und Forstverwaltung) und bei Nichterfüllung der Verpflichtungen wird der Vertrag nicht mehr verlängert.

 

 

  1. Flexibilisierung der Jagdlose
  • Jagdlose können aufgeteilt werden, wenn Eigentümer oder Eigentümergruppen mit mindestens 50 ha zusammenhängender Fläche ihr eigenes Jagdrecht ausüben möchten.
  • Zusammenschlüsse von Eigentümern können sich bewerben und ein Konzept mit Jagderlaubnisscheinen (Begehungsscheine) vorlegen.
  • Auch Gemeinden oder der Staat können Pächter werden und ein Begehungsschein- / Pirschbezirk- / Lehrbezirksystem organisieren unter der Bedingung, dass die Verjüngung des Waldes das vorrangige Ziel bei der Entscheidung ist. Die Natur und Forstverwaltung sollte in dem Fall Fachleute zur Verfügung stellen, die die Organisation dieser Jagdkonzepte übernehmen.

 

 

  1. Demokratisierung der Jagd
  • Eine staatlich oder kommunal organisierte Jagd, begleitet von der Natur und Forstverwaltung, ermöglicht auch jungen lokalen Jägern ohne große finanzielle Mittel die Teilnahme.
  • Dies fördert eine demokratische, lokal verankerte, effektive und anpassungsfähige Jagd.

 

 

  1. Kategorisierung von Eigentümern innerhalb der Jagdsyndikate
  • Waldbesitzer müssen in den Syndikaten Gehör finden. Landwirtschaftliche Grundeigentümer sind in der Mehrheit. Die Gemeinden und der Staat, die 45 % des Waldes besitzen, müssen Verantwortung übernehmen und im Interesse von Wald und Bevölkerung in den Syndikaten Präsenz zeigen.
  • Eigentümer sollen in drei Gruppen eingeteilt werden:
  • Landwirte mit Eigentum oder Pacht an landwirtschaftlichen Flächen
  •  Waldeigentümer
  • Öffentliche Eigentümer aller Flächenarten
  • Jede Gruppe wählt einen Hauptvertreter und einen Stellvertreter (Syndic und Suppleant).

 

 

  1. Mindeststandards für Pachtverträge
  • Die Vertragsgestaltung darf nicht allein den Syndikaten oder Grundeigentümern überlassen werden.
  • Es müssen Mindeststandards eingeführt werden, die den ökologischen Gemeinwohlleistungen des Waldes Rechnung tragen.
  • Eine Person darf nicht mehrere Pachtverträge abschließen auch nicht als Teil einer Jägergemeinschaft und darf sich nicht durch Strohmänner vertreten lassen.
  • Es darf nicht vorkommen, dass Syndikate aus finanziellen Gründen ausschließlich an Jagdpächtern interessiert sind, die möglichst viel Wild auf ihrer Jagd haben wollen.

 

 

  1. Schadensersatzansprüche
  • Die Kommunen und der Staat müssen im Wald im Interesse der Allgemeinheit auch Schadensersatz verlangen.
  • Die Privatwaldbesitzer müssen begleitet und unterstützt werden beim Aufnehmen von Schäden im Wald.
  • Der Staat muss den Schadensersatz im Wald und auf dem Flur übernehmen, wenn ein Jagdpächter nicht zahlen kann.
  • Der Staat sollte einen Krisenfond einrichten, um den Schadensersatz zu übernehmen falls neue Jagdpächtern in einem Jagdlos genannt werden. Dies gilt während einer Übergangsperiode von 3 Jahren und unter Bedingung, dass nach 3 Jahren die erforderlichen Jagdziele erreicht wurden.

 

 

  1. Ausbildung der Jäger
  • Die ökologische Rolle der Jagd muss in den Vordergrund gestellt werden als Konsequenz der fehlenden natürlichen Prädatoren.
  • Eine ausgiebige Kenntnis der verschiedenen Baum-, wichtigen Kraut- und Straucharten mit deren jeweiligen Funktionen im Ökosystem Wald ist unabdingbar.
  • Das Thema Wildschäden im Wald muss ein wesentlicher Punkt werden.
  • Die vorangegangenen Themen müssen sowohl in die Ausbildung der Jungjäger integriert werden als auch in ein verpflichtendes Konzept einer permanenten Weiterbildung für alle Jäger.

 

 

  1. Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz
  • Die Jagd kann dann gesellschaftlich akzeptiert werden, wenn sie einen klaren, nachvollziehbaren, umsetzbaren und einklagbaren gesellschaftlichen Auftrag erhält.
  • Das Fleisch des Wildes wird dann auch als wertvolles naturnahes Nahrungsmittel wahrgenommen werden.