„Aufruf zum Boarding, last call, Meister Lampe zu Gate B bitte!“ Zwischenbilanz der „Aktioun Hues“: Anpassungsfähige Art oder einfach nur alternativlos?
In diesem Jahr lief unsere spannende „Aktioun Hues“, ein Citizen-Science-Projekt, bei dem Naturfreunde dem Feldhasen nachspürten. Dank der eifrigen 99 Beobachter:innen wurden rund 250 Feldhasen auf iNaturalist gemeldet. Vor allem die Vielfalt der Fundorte überraschte: Hasen wurden nicht nur in klassischen Agrarlandschaften beobachtet, sondern auch außerordentlich häufig in besiedelten, verbauten Gebieten wie z.B. dem Flughafen. Diese ungleiche Verteilung wirft Fragen auf: Ist der Feldhase sehr anpassungsfähig oder drängt er immer häufiger in ungewohnte Gebiete vor, weil der eigentlich angestammte natürliche Lebensraum fehlt?
Inflagranti erwischt – Meist gesichtet im Frühling
Die meisten Beobachtungen des Feldhasen wurden in den Sommermonaten von April bis September gemacht. Dies liegt wohl weniger am Vorkommen der Art als der Tatsache geschuldet, wo die meisten Menschen sich in der Natur aufhalten. Zudem war der Zeitpunkt des Aufrufes zur „Aktion Hues“ im April ja auch strategisch gewählt: zur Paarungszeit im Frühling sind die tollen Hasen auf der noch niedrig bewachsenen Flur gut zu erblicken. Die Paarungsfreudigkeit die dem Tier nachgesagt wird, nimmt im Laufe des Jahres zwar nicht beträchtlich ab, Mensch kann den Hasen nur nicht mehr so gut beobachten, wenn Gras und Feldfrüchte höher wachsen. Deshalb verwundert es nicht, dass im Laufe der Monate die Anzahl an Meldungen abgenommen hat.
Der positive Effekt der Mitmach-Aktion ist ganz deutlich: Zwischen 2018 und 2024 wurden nur rund 115 Meldungen vom Feldhasen gemacht. Durch die „Aktioun Hues“ waren es 2024 alleine 250!
Achtung, hier sind nicht Individuen gemeint, sondern lediglich die Anzahl an Meldungen. Manchmal umfasste eine Meldung mehrere Individuen.
Umtaufen: vom Feld- zum Urbanhasen?
Der Feldhase scheint heute eher Art des Gutlandes zu sein, denn die Meldungen aus dem Osten des Landes und dem Ösling sind verhältnismäßig selten (s. Karte). Vor allem auf den intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen des Öslinger
Hochplateaus scheint der Hase weitgehend verschwunden zu sein. Jedoch ebenfalls im Redinger Kanton sowie nördlich des Stausees liegen erstaunlich wenige Nachweise vor. Dies kann aber auch daran liegen, dass in diesen Gegenden schlichtweg einfach weniger Leute iNaturalist benutzen resp. nicht bei der Aktion mitgemacht haben.
In manchen Fluren wurde über die Sommermonate wahrscheinlich immer wieder dieselben Hasen gesichtet, so zum Beispiel bei Ehnen oder Ehleringen. Von unterschiedlichen Beobachter:innen wurden dort im Abstand von mehreren Wochen in derselben Flur immer wieder Hasen gemeldet – weil Feldhasen Reviere bis zu 50 Hektar haben können, kann es sein, dass es dasselbe Individuum war.
Einen regelrechten Nachbarschaftshasen scheint es in Bivingen zu geben: mehrere Meldungen aus derselben Straße zeigen hier Meister Lampe in Vorgärten, auf der Straße aber auch den umliegenden Wiesen.
Kuriosum waren eindeutig die Sichtungen vom Flughafen, anscheinend ist hier ein Feldhase ansässig. So wie mündlich bestätigt wurde, ist öfters einer am Kreisverkehr zu beobachten (!). Fakt ist, dass diese urbanen Meldungen keine Einzelfälle waren. Der Großteil der Hasen wurde schon noch auf der offenen Flur auf Äckern und Wiesen beobachtet, doch einige Individuen scheint es doch mehr in Siedlungsnähe zu ziehen. Dies gibt Anlass zum Nachdenken, ob die Hasen in Gärten und Grünanlagen eine geeignetere Nahrung oder mehr Schutz finden?
Oder sind es lediglich einzelne waghalsige Individuuen, die durch fehlende Scheu durch ihre Ortsnähe wie seit jeher zu Geschichten wie dem Osterhasen inspiriert haben? Dies sollte weiterhin verfolgt werden. In Volksmärchen und Kinderliedern taucht der Hase als cleverer, gewitzter Überlebenskünstler auf. Ob der Feldhase sich wohl an seine Vorfahren in den Ackerfurchen erinnert, wenn er sich heutzutage auf dem Findelgelände oder Garageneinfahrten herumtreibt?
„Beifang“ der Aktion: Das seltene Wildkaninchen
Neben den 250 Meldungen des Feldhasen, wurden sechs Sichtungen von Wildkaninchen gemacht (insgesamt gibt es auf iNaturalist nur 15 Meldungen aus Luxemburg). Entgegen den Erwartungen, dass diese possierliche Art im Zuge der Aktion mehr gemeldet werden würde – weil sie doch oft mit dem Feldhasen verwechselt wird – ist dies dann doch eine recht magere Ausbeute. Es ist gewusst, dass in Luxemburg die Wildkaninchen-Bestände in den letzten Jahrzehnten abgenommen haben. Es deutet nun darauf hin, dass die Lage doch kritischer ist als bisher angenommen.
- Hasenschutz schließt viele andere Tierarten mit ein – auch den Igel
- Als Symbol für Biodiversität kann der Schutz des Feldhasen auch andere Arten und Ökosysteme mit einbeziehen. Wenn der Feldhase in einem Gebiet geschützt wird, profitieren auch zahlreiche andere Tiere und Pflanzen, die ähnliche Lebensräume teilen, so zum Beispiel der Igel.
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- Tiere wie der Feldhase oder Igel sind leicht zu beobachten, was den Menschen hilft, sich für den Naturschutz zu begeistern und sie symbolisieren auf wunderbare Weise die Herausforderungen des ländlichen Naturschutzes.
- De Kéisécker – Maskottchen des Mouvement Ecologique erstmals als „potenziell gefährdet“ deklariert
- Die Gefährdung des Igels ist seit zwei Wochen leider offiziell: Der stachelige Gesell steht jetzt auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) und gilt als „potenziell gefährdet“. Schätzungen zufolge, hat ist die Anzahl an Igeln in einzelnen Ländern um ein Drittel gesunken, in manchen Regionen sogar um die Hälfte.
- Zum Maskottchen des Mouvement Ecologique, gab es vor Jahren auch schon eine Mitmach-Aktion. Eben weil auch diese Art unter dem Schwund seines Lebensraumes in der Agrarlandschaft und der starken Zerschneidung Luxemburgs durch Straßen leidet. Einst fand der Igel in den Gärten meistens noch einen Rückzugsort. Doch durch Verbauung, Versiegelung, Mähroboter und Einheitsgrün oder gar Schotter“gärten“ stellen auch unsere Siedlungen immer weniger Lebensraum bereit.
Wie kann man den Hasen unterstützen?
Um den Feldhasen langfristig zu schützen, braucht es gezielte Maßnahmen, die sowohl von Bürgern als auch der Politik unterstützt werden. Erstens könnten Feldhasen durch die Schaffung und den Erhalt von Wildkorridoren besser in ihren natürlichen Lebensräumen bleiben und sich sicher fortbewegen, der überlebenswichtige Gen-Austausch zwischen den einzelnen Populationen muss im stark fragmentierten Luxemburg sichergestellt werden. Landwirtschaftliche Flächen könnten mit sogenannten Blühstreifen oder Brachestreifen ergänzt werden – pflanzenreiche Ränder, die nicht nur Nahrung, sondern auch ganzjährig Schutz bieten.
Auch eine umweltfreundlichere Bewirtschaftung, bei der Pestizide reduziert oder überhaupt nicht eingesetzt werden, sowie die Bodenbearbeitung weniger intensiv durchgeführt wird, wäre entscheidend. Bürger:innen können dem Hasen helfen, indem sie eine solche Landwirtschaft unterstützen. Gemeinden, indem sie ihre Ländereien über Pacht extensiv bewirtschaften lassen und z.B. Biodiversitätsmaßnahmen auf ihrem Grund unterstützen und fördern. Schließlich könnten Gemeinden Grünflächen in Siedlungsnähe schaffen, wo Hasen eine Zuflucht finden, ohne in ungeeignete urbane Gebiete gedrängt zu werden.
Jeder kann dazu beitragen und Beobachtungen melden, was wichtige Daten für den Naturschutz liefert.
Solche Maßnahmen würden nicht nur dem Feldhasen, sondern auch anderen bedrohten Arten und der Biodiversität insgesamt zugutekommen.
Eine nachhaltige Bewirtschaftung der Hasenpopulation in Luxemburg, bedeutet ebenfalls, dass die Jagd auf Hasen moderat erfolgen sollte, z.B. nur in Gegenden mit einer gesunden Population. In Jagdlosen mit geringer Populationsdichten oder Einzelbeobachtungen, sollten die Bestände durch ein mehrjähriges Moratorium geschont bleiben. Hierfür benötigt man jedoch verlässliche durch wissenschaftliches Monitoring erhobene Bestandszahlen.
Fazit: Wissenschaftliches Monitoring unbedingt nötig!
Citizen Science ist eine wertvolle Unterstützung, doch für eine fundierte Überwachung (wissenschaftliches Monitoring) der Feldhasenpopulationen für Luxemburg reicht sie allein nicht aus. Länder wie Deutschland und Belgien führen strukturierte Monitoring-Projekte durch, die genauere und langfristige Daten über Bestände und Gefährdungen liefern. In Deutschland gibt es etwa ein Feldhasen-Monitoring, das jährlich Bestandsentwicklungen dokumentiert. In Belgien wurden auch schon ähnliche Monitorings durchgeführt. Solche Projekte ermöglichen fundierte Entscheidungen im Management und Schutz der Population, die mit Citizen Science alleine nicht möglich sind.
Besonders wenn es um eine Tierart geht, die bejagt werden, sollten ihre Bestände wissenschaftlich erfasst und verfolgt werden. Nur so ist es möglich, die Effekte von Landschaftsveränderungen, sowie Schutzmaßnahmen nachzuvollziehen oder gar Jagdbestimmungen anzupassen.
Ein solches Monitoring durchzuführen oder in Auftrag zu geben kann z.B. eine Aufgabe des neu gegründeten Service de la Faune et de la Chasse bei der Natur- und Forstverwaltung sein.
Wie geht es weiter?
Die „Aktioun Hues“ wird noch ein Jahr weiterlaufen. Deshalb helfen Sie weiterhin mit und melden Sie Hase und Kaninchen!
Vielleicht kriegen wir es hin, die dunklen Flecken im Osten und Norden des Landes mit Meldungen der Mümmler zu füllen!
Verfolgen Sie die Meldungen auf https://www.inaturalist.org/projects/aktioun-hues.
20.11.24