Ewigkeitschemikalie TFA auch im Trinkwasser: Noch ist kein Grund zur Panik – aber die Politik muss sofort handeln!
Das europäische Netzwerk PAN-Europe (Pesticide Action Network), in dem der Mouvement Ecologique Mitglied ist, hat rezent Analysen der Belastung des Grund- und Oberflächenwassers in Europa durch die Ewigkeitschemikalie TFA veröffentlicht. TFA ist ein Stoff der nicht abbaubar ist und in der Umwelt bleibt, daher der Name Ewigkeitschemikalie. Demhingegen ist er stark wasserlöslich.
PFAS-Pestizide gelten, so PAN-Europe, als Hauptverursacher für die Verschmutzung von TFA vor allem in ländlichen Gebieten, gefolgt von Kühlmitteln, Abwasserbehandlung und industrieller Verschmutzung (1).
Bei der Studie kam zutage, dass alle getesteten Grund- und Oberflächengewässer aus zehn EU-Ländern stark durch diese Ewigkeitschemikalie belastet sind. Leider trifft dies auch auf die Proben aus Luxemburg zu (2). Der Mouvement Ecologique hat diese Daten Ende Mai veröffentlicht und die offiziellen Stellen aufgefordert ihre Strategie vorzulegen, wie sie gegen diese Belastung vorgehen wollen. Bis dato erhielt der Mouvement Ecologique noch keine Antwort auf das Schreiben.
Es war nur konsequent europaweit und auch in Luxemburg, nunmehr ebenfalls Analysen des Trinkwassers durchzuführen.
Leider erneut mit besorgniserregenden Resultaten
TFA wurde in 34 von 36 europäischen Leitungswasserproben (94 %) aus elf EU-Ländern nachgewiesen. Sie reichten von „nicht nachweisbar“ (entsprechend < 20 Nanogramm/Liter (ng/L) bis 4.100 ng/L mit einem Durchschnitt von 740 ng/L.
Luxemburg lag bei der Trinkwasserprobe (die u.a. gespeist wird aus Quellwässern, SEBES-Wasser) mit einem Wert von 660 ng/L im mittleren, aber zu hohem Bereich.
Wer nun glaubt, man würde der Ewigkeitschemikalie sicher ausweichen können, indem man auf Mineral- und Quellwasser aus der Flasche zurückgreift, der irrt. TFA wurde ebenfalls in 12 von 19 abgefüllten Mineral- und Quellwässern (63 %) festgestellt, von „nicht nachweisbar“ (< 20 ng/L) bis 3.200 ng/L, mit einem Durchschnitt von 278 ng/L. Auch die aus Luxemburg stammende Probe war belastet.
Leider gibt es aufgrund von Versäumnissen der Politik trotz der weiten Verbreitung für den Impakt von TFA auf die Gesundheit noch zu wenige toxikologische Studien (3). Die Datenlage ist leider dürftig. Studien die vorliegen, mahnen allerdings zur Vorsicht. Sie zeigen für TFA ähnliche Auswirkungen, als wie für die besser untersuchten PFAS (Lebertoxizität, Missbildungen), allerdings bei wesentlich höheren Konzentrationen. Grundsätzlich ist es unerlässlich, diese Forschung konsequent auszubauen, denn es gibt auch Stimmen, die sagen: viele PFAS gelten als Chemikalien ohne Schwellenwert, sprich eine Null-Belastung wäre geboten. Die Frage ist berechtigt, ob dies auch für TFA gelten müsste.
Zur Orientierung kann ein Trinkwasser-Richtwert des niederländischen Instituts für öffentliche Gesundheit und Umwelt (RIVM) dienen, der den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt und von PAN-Europe angeführt wird. Dieser indikative Trinkwasser-Richtwert für TFA beträgt 2.200 ng/L. Dieser Wert wird von der Luxemburger Probe und insgesamt von 97% der untersuchten Proben eingehalten.
Dies bringt PAN-Europe zur Schlussfolgerung: „Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand über die Toxizität der Chemikalie scheinen die von uns festgestellten TFA-Werte noch innerhalb der Sicherheitsgrenzen zu liegen. Allerdings sind die Toxizitätsdaten begrenzt und unvollständig, so dass eine Unterschätzung des Risikos nicht ausgeschlossen werden kann.“
Dies ist die gute Nachricht! Doch trotzdem ist die Situation alarmierend!
Denn im Jahr 2026 soll (Stand der heutigen Diskussionen) auf EU-Ebene ein Standardgrenzwert „PFAS“ insgesamt von 500 ng/l Trinkwasser in Kraft treten. Per Definition sollte dieser ebenfalls TFA einschließen. Somit würde die Luxemburger Probe über diesem Wert liegen.
Wie der Name es bereits sagt, ist TFA eine Ewigkeitschemikalie. Sie wird nicht natürlich abgebaut und reichert sich immer mehr in unserer Umwelt an. Zudem sind die Toxitätsdaten begrenzt und unvollständig, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Risiko unterschätzt wird. Zudem nimmt der Mensch TFA nicht nur durch Trinkwasser auf.
Die Konsequenz: die Belastungswerte werden stetig steigen, wenn nicht sofort gehandelt wird! Da PFAS-Chemikalien kaum und dann auch noch mit erheblichem Aufwand durch Kläranlagen gefiltert werden können, sind diese Werte umso alarmierender. Auf EU-Ebene wären Investitionen in Milliardenhöhe notwendig. Und wie PAN-Europe schreibt: „Das Endprodukt eines solch kostspieligen nicht umweltfreundlichen High-Tech-Reinigungsverfahrens wäre ein „künstliches Wasser“, das seiner natürlichen Bestandteile beraubt wäre und das die Wasserversorger mit hohem Energieaufwand wieder aufbereiten müssten, bevor sie es an ihre Kund:innen abgeben könnten.“
Der Eintrag dieser Stoffe in die Umwelt gilt es unbedingt zu vermeiden.
Deshalb müssen umgehend Maßnahmen zur Verhinderung einer weiteren TFA-Kontamination des Menschen ergriffen werden.
Gemäß dem Mouvement Ecologique und PAN-Europe sind folgende Maßnahmen geboten, in Luxemburg selbst, aber auch auf EU-Ebene:
- An oberster Stelle steht ein schnelles Verbot des Einsatzes von PFAS-Pestiziden: denn auch in Luxemburg kommen sie zum Einsatz. Die vom Landwirtschaftsministerium 2024 aktualisierten Zahlen über den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft belegen, dass fast die Hälfte der aktuell 38 in der EU zugelassenen PFAS-Pestizide auch in Luxemburg zur Anwendung kommen. Nur wenige dieser Substanzen werden als sogenannte „Big movers“ geführt und sollen somit in absehbarer Zeit vom Markt genommen werden.
Eine Unterstützung der Landwirt:innen beim Ersatz von PFAS-Pestiziden ist geboten. - Eine systematische Analyse und Kontrolle der Belastung der Grund- und Oberflächengewässer sowie des Trinkwassers durch PFAS und TFA ist geboten. Dabei müssen so weit wie möglich die Belastungsquellen identifiziert und die Resultate transparent veröffentlicht werden.
- In Luxemburg selbst sollte eine Diskussion über die zulässigen Belastungsgrenzwerte durch TFA und „PFAS gesamt“ geführt werden.
- Auf EU-Ebene muss sich Luxemburg stark machen für
- Eine Überarbeitung der EU-Trinkwasserrichtlinie: Es muss ein Grenzwert für sicheres Trinkwasser festgelegt werden, der dem Stand der Wissenschaft entspricht und die Möglichkeit eröffnet, einen individuellen Grenzwert für TFA auf europäischer Ebene festzulegen.
- Eine Überarbeitung der EU-Wasserrahmenrichtlinie – hier stehen Ende 2024 entscheidende Sitzungen an: dort gilt es Qualitätssstandards für TFA in natürlichen Gewässern festzulegen.
- Die Anwendung des Verursacherprinzips: Dort wo es notwendig ist das Wasser aufgrund chemischer Verunreinigungen zu reinigen, muss das Verursacherprinzip gelten.
Somit: Es besteht kein Grund zur Panik. Luxemburger Trinkwasser ist nach wie vor die beste Alternative! Aber die Politik muss umgehend handeln!
(1) Es mag verwirrend sein, dass je nach dem der Begriff PFAS oder TFA verwendet wird. Die Erklärung ist aber recht einfach: TFA ist ein Abbauprodukt von PFAS-Pestiziden, F-Gasen und anderen Ewigkeitschemikalien (PFAS). Diese PFAS – Per- und Polyfluoralkylsubstanzen – besitzen in der Industrie sehr willkommene Eigenschaften: Sie sind wasser-, fett- und schmutzabweisend sowie chemisch und thermisch sehr stabil. Dies macht sie allerdings auch zum Verhängnis für die Umwelt, da sie Jahrhunderte überdauern können und sie sich in Grundwasser, Böden und in unseren Körpern anreichern. Die PFAS gelangen schon bei ihrer Herstellung, aber besonders während des Gebrauchs und der Entsorgung in die Umwelt. Die über 10.000 PFAS-Verbindungen, die auf dem Markt sind, werden u.a. bei regenabweisender Kleidung, Kosmetika, Zahnseide oder antihaftbeschichteten Töpfen eingesetzt. Großes Einsatzgebiet stellen aber auch Pestizide dar.
Obwohl TFA das persistente Endprodukt von geschätzten 2.000 PFAS-Verbindungen ist, wurde die Toxizität für die Umwelt und den Menschen bisher nur recht begrenzt untersucht. Die wenigen PFAS, die intensiver erforscht wurden, haben sich alle als sehr giftig erwiesen. Sie weisen reproduktionstoxische, krebserregende, immun- und endokrinschädigende Eigenschaften auf. Diese schädlichen Wirkungen können schon bei sehr geringen Konzentrationen auftreten. Tausende von Menschen sind bereits infolge des Kontakts mit diesen Stoffen erkrankt oder gestorben.
Schlussendlich steht zudem fest, dass nicht die Toxizität jeder einzelnen der mehr als 10.000 PFAS-Chemikalien nachgewiesen werden muss, da ihre ultimative Langlebigkeit ausreicht, um ein generelles Verbot zu rechtfertigen. Dieses giftige Erbe für zukünftige Generationen ist unverantwortlich und selbstzerstörerisch.
(2) Zur Erinnerung: Die Konzentration von TFA in der luxemburgischen Alzette bei Mersch bewegte sich um den europäischen Durchschnitt bei 1.220 ng/l.
Die TFA-Konzentration der luxemburgischen Trinkwasser-Quelle lag bei knapp 1000 ng/l, der Durchschnitt aller Grundwasserproben situierte sich bei 1.025 ng/l.
Die Resultate der Studie widerlegen die jahrzehntelange Annahme, dass die Kontamination durch PFAS sich nur auf industrielle Hotspots beschränkt. Hier wird nun deutlich, dass die Verschmutzung weit verbreitet und besonders auch in ländlichen, landwirtschaftlichen Gebieten auftritt.
(3) Das deutsche Umweltbundesamt (UBA) hat kürzlich PFAS-Pestizide als wahrscheinliche Hauptquelle der TFA-Wasserverschmutzung in ländlichen Gebieten identifiziert. Die EU-Pestizidverordnung verlangt, dass Pestizide nur dann zugelassen werden, wenn ihre Wirkstoffe und „relevanten Metaboliten“ (= Abbauprodukte) im Grundwasser keine Konzentrationen von 100 ng/l überschreiten. 2003 fällte die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine fatale Entscheidung: sie kam zu dem Schluss, dass TFA als „nicht relevanter Metabolit“ betrachtet wird, wodurch es von allen Überwachungsverpflichtungen und Grenzwerten ausgenommen wurde. Dies war laut PAN Europe eine katastrophale Entscheidung, die zu der vermutlich größten und allgegenwärtigsten Kontamination von europäischen Oberflächen- und Grundwässern, aber wie nun offen liegt, auch von Trinkwasser, durch eine menschengemachte Chemikalie in der Geschichte geführt hat.
Doch auch die EU-Wasserrahmenrichtlinie hätte diese Kontamination verhindern müssen. Das in Art. 4 verankerte Verschlechterungsverbot hätte eine jahrzehntelange Eskalation der TFA-Verschmutzung verhindern sollen, tat es aber nicht. Zu den notwendigen Maßnahmen, die das Gesetz fordert, hätte zweifellos ein Verbot von PFAS-Pestiziden und einer anderen Gruppe von PFAS, den sogenannten F-Gasen, gehört, die aus industriellen Kältemitteln in Tausenden Tonnen in die Atmosphäre gelangen und dann über Regen als TFA in den globalen Wasserkreislauf eintreten.
(4) Dabei wurde ein Risikobewertungsansatz verfolgt, der relative Potenzfaktoren für die Lebertoxizität von PFOA verwendet.
Sie finden die Studie sowie diese Pressemitteilung als PDF in den Downloads.
10.07.24