Waldsterben wegen Klimakrise sowie zu hoher Wildbestände: Ein Appell zu einer regulierenden Jagd an die künftige Regierung
Der Wald ist extremem Klimastress ausgesetzt. Laut dem Ende September 2023 veröffentlichten Waldzustandsinventar sind 85,5 % der einheimischen Bäume geschädigt, stark geschädigt oder absterbend. D.h. lediglich 14,5% der Bäume sind noch gesund.
Die Analyse des Lëtzebuerger Privatbësch zeigt, dass in den nächsten zehn Jahren mehr als 30.000 Hektar Wald (ein Drittel des gesamten Waldes) mit angepassten Baumarten neu aufgebaut werden müssen, sei es per Naturverjüngung oder Neuanpflanzung. Hierzu werden neben der Naturverjüngung mindestens 100 Millionen neue junge Bäumchen verschiedenster Arten erforderlich sein.
Dies setzt jedoch voraus, dass der Wald sich auch vielfältig verjüngen kann. Und genau hier liegt dann das Problem. Diese Verjüngung gelingt derzeit nicht! Der Grund: die hohe Dichte an Schalenwild.
Rehe, Hirsche, Damwild und Mufflons fressen die Knospen und Blätter der jungen Bäume, so dass diese nicht nachwachsen können. Derweil lassen die zahlreichen Wildschweine kaum noch Eicheln und Buchecker zur Keimung übrig, sodass auch dadurch keine Verjüngung möglich ist.
Verschlimmert wird das Phänomen dadurch, dass Rehwild bevorzugt gerade junge Eichen und seltene wärmeliebende Baumarten futtert. Dies hat zur Konsequenz, dass bestenfalls nur noch die weniger schmackhaften Buchen und Fichten in einer Verjüngung übrig bleiben. Allerdings wissen wir, dass gerade diese Arten die größten Schwierigkeiten mit dem Klimawandel haben, demnach nicht in dem Ausmaß die Zukunft des Waldes darstellen können. Ein Teufelskreis.
Der einzige Weg, um den Wald zu erhalten um damit die so vielfältigen Leistungen für den Menschen (als Naherholungsort, aber auch u.a. als CO2-Speicher und zur Reduktion der Klimakatastrophe) – ist es, den Wildbestand so zu reduzieren, dass eine natürliche Verjüngung machbar ist. Die Frage ist schlichtweg: Wieviel Wild verträgt der Wald.
Würde der Wildbesatz nicht reduziert, so müsste man – um den Anwuchs der neuen angepassten Waldgeneration zu sichern – über die kommenden 10 Jahre mehr als 10.000 Kilometer Holzgatter oder Wildzäune sowie mehrere Millionen Einzelschutze errichten und das zu einem Kostenpunkt von rund 500 Millionen Euro. Neben dieser erheblichen Summe würde dies bedeuten, dass der Wald kaum noch zugänglich für die Menschen sein wird, das Tierwohl erheblich eingeschränkt wäre usw. Eine Situation, die sich niemand wünschen kann. Sie käme einer Bankrotterklärung der Waldgestion gleich.
Vor dem Hintergrund der Wichtigkeit unserer Wälder und der Dramatik der laufend anfallenden ökologischen und ökonomischen Schäden, rufen wir die neue Regierung auf, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Wilddichten so anzupassen, dass die Zukunft unserer Wälder gewährleistet ist.
Wegen fehlendem Superprädator, wie dem Wolf, den milden Wintern (die, die natürliche Selektion stark einengen) und einer unzureichenden Bejagung wird die Wilddichte derzeit über das Nahrungsangebot geregelt, sprich auch über die Zerstörung der Verjüngung. Das fatale: sie zerstören somit mittelfristig ihren eigenen Lebensraum.
Folgende Mindestziele sind zu erreichen:
Krisengipfel einsetzen
Umgehend muss ein Krisengipfel unter Beteiligung aller stattfinden: Besitzer:innen des Privatwaldes, des öffentlichen Waldes, Umweltorganisationen, Förster:innen, Jäger und Jagdsyndikate, Prosilva sowie Bauernvertreter:innen als Beobachter:innen.
Akzeptanz für eine regulierende Jagd schaffen
- Mittels Weisergatter und deren Monitoring muss der Einfluss von Schalenwild auf die natürliche Regeneration aufgezeigt und gemessen werden;
- Eine angepasste Wilddichte mit den entsprechenden Abschussquoten soll mittels wissenschaftlicher Methodologie ermittelt werden.
Wildschaden messen, bewerten und verhindern
- Landesweit einheitliches Bewertungssystem für Wildschäden im Wald erarbeiten;
- Landesweite Erfassung der Verbissschäden durch Weisergatter sowie entsprechender Kontrollflächen – Systematische Einrichtung weiterer Gatter;
- Verpflichtende Einführung von der öffentlichen Hand finanzierter wissenschaftlicher Vegetationsgutachten im gesamten Wald, die zur Schadensermittlung herangezogen werden können;
- Einstellung von Wildbiologen zur Erfassung und Bewertung des Schadens des Wildverbisses;
- Erleichterung der Möglichkeiten eine Schadensregulierung anzufragen – Möglichkeit den am Wald entstandenen Schaden auch im öffentlichen Wald einfordern zu können.
Wilddichten erfassen und Reduktionsziele festlegen
- Gelingen einer gemischten Verjüngung nach wissenschaftlichen Methoden bemessen;
- Festlegung seitens der Naturverwaltung von jährlich zu respektierenden Mindestabschusszahlen (kurzfristriges Zurückgreifen auf ausländische Fachkräfte);
- Verlängerung der Jagdzeiten sowie Einsatz moderner Methoden zur Erfassung des Wildes (Wärmebild sowie IR-Techniken);
- Unterbindung einer bestandsaufbauenden Jagd, d.h. der gezielten Erhöhung der Hirschpopulation;
- Beibehaltung der Vorgabe des Abschusses von Muffel- und Dammwild.
Reform des Jagdgesetzes
- Anpassung der Jagdformen und Jagdzeiten inklusive Einsatz technischer Ausrüstungen wie Restlichtverstärker und IR- und UAV Technik;
- Kündigungsmöglichkeit des Pachtvertrages für Jagdlose, falls drei Jahre in Folge die Abschussquoten nicht erreicht wurden;
- Reform der Vergabe der Jagdlose: nicht nur Jäger dürfen die Entscheidungen treffen, sondern auch Waldbesitzer:innen müssen proportional vertreten sein;
- Möglichkeit der Verwaltung der Jagdlose durch eigens dafür genannter Förster:innen von Gemeinden oder den Jagdsyndikaten, um somit ggf. auch die lokale Bevölkerung einzubinden;
- Möglichkeit eines Begehungsscheinsystems, sowohl seitens des Staates, der Gemeinden, der Jagdsyndikate sowie der Waldbesitzer:innen in Eigenregie ab einer zusammenhängenden Waldfläche von > 50 ha;
- Festlegen des quantitatives Erfasssens von Verbissschäden als integraler Bestandteil der Jagdausbildung und Jägerprüfung.
Valorisierung und Nutzung des Wildfleisches
Es ist zwingend, Vermarktungsketten des lokalen Wildfleisches zu stärken und wenn möglich, eine Zertifizierung lokalen Wildfleischs durchzusetzen und konsequent zu bewerben.
Nur wenn die Rahmenbedingungen erfüllt sind, schaffen wir es, die erforderliche Biodiversität im Wald aufzubauen, um den Klimawandel abzufedern.
Die Klimakatastrophe gilt es weiterhin zu bekämpfen. Die im Folgenden dargelegten Vorschläge sind jedoch zwingend notwendig, um eine angemessene Klimaadaptationsstrategie unserer Wälder in die Wege zu leiten und das Allerschlimmste zu verhindern.
Umso wichtiger ist es, dass jetzt endlich aktiv die zentrale Maßnahme, die von entscheidender Bedeutung für den Schutz der Wälder ist, angegangen wird:
die Reduktion des Wildbestandes.
Hierzu sollte die Regierung einen Krisengipfel mit allen Stakeholdern des Waldes einberufen. Ziel des Gipfels ist es, Lösungen auszuarbeiten um unsere Wälder für die zukünftigen Generationen zu erhalten
Die unterzeichnenden Organisationen:
Fondation Hëllef fir d’Natur, FSC, Lëtzebuerger Privatbësch, Mouvement écologique, natur&ëmwelt asbl, PEFC, Prosilva, Wiltzer Waldverein
06.11.2023