Luxemburg bricht Solidarität zum Schutz des Wolfs: EU stimmt für die Schwächung dessen Schutzstatus – mit der Unterstützung Luxemburgs
Eine Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten hat am Mittwoch 25.09.24 für die Herabsetzung des Schutzstatus des Wolfes im Rahmen der Berner Konvention gestimmt.
Darunter auch Luxemburg, trotz des dringlichen Appells von Mouvement Ecologique und natur&ëmwelt an Umweltminister Serge Wilmes, bei seiner vorherigen Position zu bleiben. Denn seit Jahren spricht sich Luxemburg gegen diese Herabsetzung ein. Luxemburg verlässt nun die Reihe jener Länder, die den Erhalt der Biodiversität als wichtiges Ziel der EU sehen, bricht die Solidarität mit diesen Ländern.
Luxemburg reiht sich jetzt bei denen ein, die alle bisherigen Maßnahmen, Investitionen und hart erkämpfte Erfolge zum Schutz dieses fast ausgerotteten Tieres untergraben – der Wolf kann jetzt nämlich wieder leichter zum Abschuss freigegeben werden, obwohl sein Erhaltungsgrad noch immer nicht als günstig ist.
Die Gründe für diese Abschwächung sind dann auch noch sehr unzufriedenstellend. Argumentiert wird, es gälte Nutztiere zu schützen. Dabei besagt sogar ein Bericht der EU Kommission, dass der Abschuss keine Lösung für den Konflikt mit Nutztieren darstellt. Vielmehr müssten die Bemühungen zur Koexistenz – also zum Zusammenleben zwischen Mensch und Wolf – weiterhin verstärkt werden. Die entsprechenden Präventionsmaßnahmen und Kompensationen müssen besser und leichter zugänglich für betroffenen Tierhalter sein!
Die plötzliche Kehrtwende ist somit ein Schlag ins Gesicht für all diejenigen Landwirte, die sich jahrelang um Koexistenz mit dem Wolf bemüht haben. Und auch die Wissenschaft und die Zivilgesellschaft wurden komplett ignoriert, dabei haben sich über 300 NGOS und Hunderttausende von Menschen gegen die Herabstufung des Schutzstatus ausgesprochen.
Mit dieser rein politisch motivierten Entscheidung haben die EU und auch Luxemburg vor allem sich selbst in den Fuß geschossen – von Glaubwürdigkeit kann keine Rede mehr sein. Es besteht die reelle Gefahr, dass der Wolf nur die erste Tierart ist, deren Schutz abgeschwächt wird. Werden Bären, Luchse die nächsten Verlierer sein?
Der ganze Rahmen des EU Naturschutzes wie auch die internationalen Verpflichtungen können jetzt ins Wanken geraten – und dies nur ein paar Wochen vor der 16. Weltbiodiversitätskonferenz.
Die EU muss eine Werteunion sein, über Wirtschafts- und Finanzanliegen hinaus. Dazu gehört sonder Zweifel der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen.
Die gemeinsame Stellungnahme vom Mouvement Ecologique und naur&ëmwelt im Vorfeld der Entscheidung:
Diese Woche finden entscheidende Sitzungen auf EU-Ebene zum Schutzstatus des Wolfes statt. Einige Länden wollen eine Minderung dieses erreichen, d.h. de facto den Wolf zum Abschuss freigeben. Bisher hat Luxemburg den höchsten Schutzstatus des Wolfes immer verteidigt – doch nun aus heiterem Himmel und wissenschaftlich unergründbar ist die Position Luxemburgs ins Wanken geraten.
Entscheidende Sitzung auf EU-Ebene am Mittwoch (ggf. Donnerstag) dieser Woche – jede Länderstimme zählt: Luxemburg muss weiterhin zu den Ländern zählen, die sich gegen den Abschuss von Wölfen aussprechen!
Auf EU-Ebene gibt es einen Vorstoß verschiedener Länder, die eine Minderung des Schutzstatus des Wolfes(von „streng geschützt“ zu „geschützt“ ) erreichen wollen, d.h. de facto den Wolf zum Abschuss freigeben wollen. Dabei kommt es auf jede Stimme an, denn es gibt derzeit eine sehr knappe Mehrheit von Ländern, die gegen den Abschuss sind.
Die Luxemburger Regierung sowie Umweltminister Serge Wilmes haben bisher, wie auch die vorherige Regierung, immer den höchsten Schutzstatus des Wolfes in der EU verteidigt. Doch nun, aus heiterem Himmel und aus wissenschaftlicher Sicht unergründbar, ist die Position Luxemburgs ins Wanken geraten.
Wie Landwirtschaftsministerin Martine Hansen angab, will Luxemburg dem Vorschlag der Europäischen Kommission den Schutzstatus des Wolfes im Rahmen der Berner Konvention herabzusetzen zustimmen. Die erste Entscheidung fällt am Mittwoch im Rahmen des Treffens der europäischen Botschafter. Spricht sich hier eine Mehrheit dafür aus, soll am Donnerstag im „Conseil Competitioun“ die definitive Entscheidung fallen.
Woher kommt dieser Sinneswandel? Warum die Reihe der Länder mit einer naturschutzfachlichen und wissenschaftlichen Position verlassen?
Luxemburg ist durch den nationalen Aktionsplan zum Wolf und die Sensibilisierungsarbeiten der Naturverwaltung gut auf die Rückkehr des Wolfes[1] vorbereitet. Auch gibt es keine Interessensgruppen in Luxemburg, die eine Änderung der Position gefordert hätten.
Zudem existiert derzeit keine wissenschaftliche Grundlage, die eine EU-weite Änderung der bestehenden Gesetzgebung rechtfertigen würde. Der Abschuss von Wölfen verringert nachweislich nicht die Angriffe auf Nutztiere. Wölfe ernähren sich zu über 92% von wildlebenden Huftieren wie Rehe, Wildschweine und Hirsche. Nutztiere hingegen stellen weniger als 1% der Nahrung eines Wolfes dar. Auch eine Studie, die die EU-Kommission selbst in Auftrag gegeben hat, zeigt dies eindeutig auf.
Der Schutz und jahrzehntelange Bemühungen haben ein bemerkenswertes Comeback des Wolfes in Europas Landschaften gebracht. Allerdings sind seine Populationen noch nicht in einem stabilen Erhaltungszustand. Eine Senkung des Schutzes würde die Art wieder stärker gefährden, die geleisteten Arbeiten (und finanziellen Investitionen) zunichte machen und die gesetzliche Verpflichtung der EU, stabile und lebensfähige Wolfspopulationen zu sichern, untergraben – was in Zeiten der Biodiversitätskrise ein absolutes Tabu sein müsste.
Der Schutz der Wölfe in Europa geht über den Schutz einer einzelnen Art hinaus: Es geht darum, die Biodiversität zu bewahren und ein ausgewogenes Zusammenleben mit der Natur zu fördern. Wölfe spielen eine entscheidende Rolle für die Stabilität von Ökosystemen, insbesondere für den Schutz naturnaher klimaresilienter Wälder.
Das für den Sinneswandel angeführte Argument, man wolle solidarisch sein mit anderen EU-Mitgliedsstaaten, die ihrer Meinung nach nicht andäquat auf die Wolfspopulation reagieren können, und denen keine Vorschriften machen, ist als Position Luxemburgs nicht vertretbar. Die EU muss ein Wertebündnis über Wirtschafts- und Finanzfragen hinaus sein (bei welchem die Regierung im übrigen durchaus seine Sichtweise zu vertreten weiß).
Der Mouvement Ecologique und natur & ëmwelt a.s.b.l. erwarten von der Regierung, dass sie in ihrem Votum zum Wolf deutlich klar macht, dass die EU ein Wertebündnis ist, das eine kohärente, fachliche begründete Strategie in Sachen Biodiversität verfolgt. Luxemburg soll sich mit jenen Ländern solidarisch zeigen, die für den Schutz des Wolfes eintreten.
Überraschend in diesem Zusammenhang ist zudem, dass die Landwirtschaftsministerin sich gestern als erstes Regierungsmitglied zu Wort gemeldet hat, anstatt Umweltminister Serge Wilmes, der doch eigentlich als Hüter des Umwelt- und Naturschutzes innerhalb der Regierung fungieren müsste …!?
Der politisch motivierte Vorschlag der Europäischen Kommission birgt zudem das erhebliche Risiko, einen Präzedenzfall für andere Arten zu schaffen und die Tür für weitere Änderungen im EU-Naturschutzrecht zu öffnen (z.B. Fischotter oder Braunbär). Ein solcher Schritt würde die Glaubwürdigkeit der EU in Sachen Biodiversität in Frage stellen.
Wie können Regierungen der reichen Länder der Nordhalbkugel erwarten, dass Länder in Afrika und Asien den Schutz ihrer Biodiversität mit Arten wie Tiger, Löwen oder Elefanten gewährleisten, wenn bei uns bereits die Koexistenz von Mensch und Wolf in Frage gestellt wird. Es dürfte wohl jedem einleuchten, dass die Nachbarschaft der Bauern im dichtbesiedelten Asien mit Elefanten eine weit größere Herausforderung und Existenzgefährdung sein dürfte.
Der Mouvement Ecologique und natur&ëmwelt a.s.b.l. appellieren deshalb eindringlich an die Regierung sowie den Ressortminister Serge Wilmes, die bisherige Position Luxemburgs, welche auf einer wissenschaftlichen Basis beruht, weiter zu verfolgen und im Bündnis der Länder zu bleiben, die sich für den Erhalt des Wolfes aussprechen.
Die EU muss die Bemühungen zur Koexistenz verstärken und den starken Schutz der Wölfe beibehalten! Dies wird auch europaweit von über 300 zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter Mouvement Ecologique und natur&ëmwelt a.s.b.l., in einer gemeinsamen Erklärung vom 19. September 2024 gefordert[2]:
- „Koexistenz fördern: Präventive Maßnahmen wie Zäune und Schäferhunde verstärken und für Landwirte leichter zugänglich machen.
- Schutz durchsetzen: Sicherstellen, dass die illegale Wolfsjagd unterbunden und die EU-Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH) eingehalten wird.
- Bewusstsein schärfen: Wissenschaftlich fundierte Aufklärung über die ökologischen und sozioökonomischen Vorteile des Wolfs.
- Wissenschaftliche Erkenntnisse respektieren: Jede Änderung des Wolfsschutzes muss auf der Grundlage strenger Daten erfolgen, nicht auf der Grundlage politischen Drucks.”
So wird ein klares Signal gesendet, dass die EU ihre nationalen und internationalen Verpflichtungen zum Schutz und zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt ernst nimmt!
Kontakt:
Blanche Weber, Mouvement Ecologique: 621 282 139
Roby Biwer, natur&ëmwelt : 621 378 529
[1] http://environnement.public.lu/dam-assets/documents/natur/biodiversite/reseau-zones-protegees/especes_proteges/animaux/loup/anf-bt5-d-aktions-und-managemenplan-fuer-den-umgang-mit-woelfen-in-luxemburg.pdf
[2] https://eeb.org/library/joint-statement-by-300-civil-society-organisations-calling-for-strict-wolf-protection-to-be-maintained/
Die gemeinsame Pressemitteilung von natur&ëmwelt und Mouvement Ecologique finden Sie in den Downloads.
24.09.24