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Was stellt den Reichtum einer Gesellschaft dar? Oder: vom Widerspruch des 4%igen Wachstums in Zeiten der Trinkwasserknappheit

Es ist schon eine etwas aberwitzige Zeit: Der Rifkin-Prozess wird vom Wirtschaftsministerium weiterhin unter dem Motto “Aus der Wachstumsfalle eine Wachstumsopportunität machen” geführt und der Nachhaltigkeitsminister spricht davon, den BürgerInnen “die Angst vor dem Wachstum” zu nehmen.

Der STATEC seinerseits veröffentlichte dieser Tage seine neuen ökonomischen Prognosen und rechnet 2017 und 2018 mit einer Wachstumssteigerung von 4,8 Prozent. Und sogar das im Mai vom Regierungsrat angenommene Programm zur Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele im Rahmen der Agenda 2030 (“Transformer notre monde: Programme de développement durable à l’horizon 2030“) führt das Wachstum als Ziel an, wobei es aber mit “croissance économique soutenue, partagée et durable” sanfter umschrieben wird.

Und parallel zu diesen immer wieder erneuerten Bekundungen der Regierung, ein weiteres Wachstum wäre ein anstrebenswertes Ziel, kommt die Ausrufung einer «phase de vigilance» durch die Umweltministerin: unsere Trinkwasserreserven würden knapp! Dies nicht im August oder September, sondern bereits im Monat Mai! Dies, so die Aussage, aufgrund der besonderen Wettersituation in den vergangenen Jahren, die ob des Klimawandels aber mit Sicherheit keine Ausnahme bleiben werden…

Sicherlich, man darf nicht die Gleichung machen: Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum führen per se zu Engpässen in der Trinkwasserversorgung. Vieles bleibt auf der Ebene der Trinkwasserversorgung zu tun: weitere Trinkwasserschutzgebiete müssen ausgewiesen bzw. konkret umgesetzt werden, beim Wassersparen gibt es noch Potential und die SEBES arbeitet am Ausbau ihrer Kapazitäten.

Und doch: unser Territorium und dessen natürliche Ressourcen setzen uns Grenzen: Grenzen, die wir endlich anerkennen müssten! Am Beispiel Trinkwasserversorgung wird dies nun erneut besonders offensichtlich. Kann man sich die doppelte Bevölkerung Luxemburgs vorstellen, und trotzdem eine Trinkwasserversorgung, die – mittelfristig – von unserem Territorium aus gewährleistet werden kann…? Schwerlich. Gleiches gilt für die Mobilität, bei der wir mit dem Ausbau der Infrastrukturen der Entwicklung immer hinterherhinken und bei der – trotz Ozonwarnung am vergangenen Wochenende – ein weiterer Ausbau der Autobahn erfolgen soll (im Wissen, dass dieser Ausbau zudem das Problem nicht lösen wird).

Der Mouvement Ecologique richtet aufgrund der aktuellen Entwicklungen erneut einen Appell an die politisch Verantwortlichen, endlich die längst so überfällige Debatte über ein Gesellschaftsmodell von morgen zu führen, das sich von dem vermeintlichen Wachstumszwang verabschiedet. Sowohl der Rifkin- Prozess als auch die Debatte zum „qualitativen Wachstum“ (?) haben das Wachstumsdogma nicht annähernd hinterfragt.

Dabei soll das Nachhaltigkeitsministerium ebenfalls endlich die bereits mehrfach versprochene Analyse offen legen, welches Wachstum überhaupt aufgrund der natürlichen Gegebenheiten und Ressourcen in Luxemburg mittel- und langfristig machbar und tragfähig wäre. Und das Wirtschaftsministerium muss die ebenfalls seit langem angekündigte Studie offen legen, welche gesellschaftlichen Folgekosten aus der Ansiedlung bestimmter Betriebe entstehen!

Der Reichtum einer Gesellschaft – auch für die kommenden Generationen – liegt in seinen Ressourcen, welche die Grundlagen für die Lebensqualität bilden. Wir treiben derzeit mit dem Wasser, dem Boden, den Grundlagen unserer landwirtschaftlichen Produktion,der Biodiversität und der Umwelt ein gefährliches Spiel, indem wir sie ausbeuten und deren Grenzen nicht Rechnung tragen. Die Leidtragenden werden die nächsten Generationen sein.