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Remerschen – Das gescheiterte Jahrhundertprojekt – von Sacha Pulli

Es ist der Verdienst der Forschungseinheit C2DH (Histoire contemporaine du Luxembourg) an der Universität Luxemburg, neue
Erkenntnisse zur politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Geschichte im 20. und 21.Jahrhundert erarbeitet zu haben. In diesem Rahmen hat nun der Historiker Sacha Pulli seine Abschlussarbeit im Masterstudium der Geschichte der Atomzentrale in Remerschen von 1973 – 1979 gewidmet.

Wie war es möglich, dass ein solches Großprojekt (das aus der Zeit einer CSV-DP Regierung von 1969 – 1974 stammte) letztlich doch verhindert wurde? Dies ist die spannende Frage, welche der Autor versucht zu beantworten.

Den Älteren unter uns, ist wohl noch in Erinnerung, dass die „Biergerinitiativ Museldall“ mit u.a. Elisabeth Kox-Risch dabei zu Beginn eine tragende Rolle spielte und es ein Aktionskomitee für ein Moratorium (CNAM) gab – ein Zusammenschluss aus Vertretern der Luxemburger Wissenschaft, aus Ärzten sowie Vertretern von NATURA und Jeunes et Environnement. Und, dass ein LSAP-Kongress (es gab zwischen 1974 – 1978 eine DP-LSAP-Regierung) mit knapper Mehrheit sich am 11. Dezember 1977 für ein Moratorium entschied. Ein Beschluss, der letztlich dazu führte, dass das Projekt scheiterte.

Nur: welche Rolle spielten dabei u.a. die einzelnen Regierungsmitglieder, die verschiedenen Parteien, die Abgeordnetenkammer, die Gewerkschaften, die Wirtschaftsvertreter, die Gemeinde Remerschen? Mit welchen Argumenten traten Befürworter und Gegner des Projekts auf? Welche Rolle übernahmen die Medien?

Es ist eine spannende Reise in die gesellschaftlichen Zusammenhänge der siebziger Jahre, in welche Sacha Pulli uns mitnimmt. Wobei ersichtlich wird, dass neben umwelt- und gesundheitspolitischen Kritiken, in erster Linie auch wirtschaftliche und finanzielle Argumente die Diskussion um das Atomkraftprojekt prägten. Die voraussichtlichen Kosten waren im Laufe der Zeit immerhin in der Tat von 36 auf 60 Milliarden LUF gestiegen… Die Entdeckung (durch CNAMMitglied Claude Wehenkel) eines „Rechenfehlers“ von 3,14 Milliarden LUF kratzte weiter an der Glaubwürdigkeit der Promotoren.

Laut Ben Fayot (Präsident der Fondation Lydie Schmit, welche Herausgeber des Buchs ist) dürfte das Projekt Remerschen das einzige Beispiel in der Luxemburger Parteiengeschichte darstellen, wo die Basis (!) einer Regierungspartei ein Regierungsprojekt stoppte. Umso interessanter ist, nachzulesen, wie diese Entwicklung überhaupt zustande kam und sich eine Mehrheit der Delegierten gegen die eigene Parteiführung auflehnte. Die Diskussion um Remerschen und die Atomkraft kann als die Geburtsstunde der gesellschaftspolitischen Ökologie in Luxemburg angesehen werden. Dies, wie der Autor es treffend darstellt, indem, u.a. aus der Jugendorganisation „Jeunes et Environnement“ die parteipolitisch neutrale Umweltbewegung Mouvement Ecologique entstand und parallel sich eine grün-alternative Partei bildete. Ein Umstand, der auch die „klassischen“ Parteien zwang sich verstärkt mit diesen Herausforderungen abzugeben. Wenn in unseren Schulen politische Bildung endlich den Stellenwert erhält (?), den sie angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen verdient, dann sollte das Buch von Sascha Pulli als Lehrstück für die Sinnhaftigkeit von gesellschaftlichem Engagement dienen. Allen Interessierten sei die Lektüre nachdrücklich empfohlen!

Weisen wir abschließend darauf hin, dass die Geschichte des Kampfs um Cattenom nicht zum Themenfeld des Autors gehörte, ebenso nicht die Alternativen, die von den Umweltorganisationen für die Entwicklung des „Haff Réimech“ vorgelegt wurden. Dieser Teil der Zeitgeschichte bleibt demnach noch zu verfassen! „Das gescheitere Jahrhunderprojekt“ ist erhältlich im Buchhandel zum Preis von 25,- € sowie u.a. im Oekozenter Pafendall, 6, rue Vauban, Luxemburg (Abholung vor Ort – Öffnungszeiten siehe www.meco.lu).