Neue Studie stellt nachhaltige Alternativen zu schädlichen Agrokraftstoffen vor

Europa kann seine Ziele bei den Erneuerbaren Energien im Transportbereich auch ohne Rückgriff auf die vielumstrittenen Agrokraftstoffe erfüllen. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie des niederländischen Forschungsinstituts CE Delft (1), die heute auf Einladung der Agrokraftstoff-Plattform Cerealkiller.lu (2) von der Hauptautorin der Studie Bettina Kampman in Luxemburg vorgestellt wurde. Die Studie „Sustainable Alternatives for Land-based Biofuels in the European Union” belegt, dass die EU ihre Ziele bei den Erneuerbaren Energien und im Rahmen der Kraftstoffqualitäts-Direktive auf nachhaltige Weise nur durch einen grundlegenden Politikwechsel erreichen kann. Um den Transportsektor klimafreundlicher zu gestalten, empfiehlt sie neben der Einführung strenger Nachhaltigkeitskriterien bei der Berechnung der CO2-Bilanz von Agrokraftstoffen vor allem die Priorisierung der Energieeffizienz im Fahrzeugbereich, den beschleunigten Ausbau der Elektromobilität und die Verwendung nachhaltig produzierter Agrokraftstoffe aus Abfällen und Rückständen.

Laut der Erneuerbaren Energien-Direktive müssen die EU-Mitgliedsstaaten bis 2020 10% ihres Energieverbrauchs im Verkehrssektor durch erneuerbare Energien decken. Die EU-Staaten wollen dies fast ausschließlich durch die Beimischung von Agrokraftstoffen, die aus Nahrungsmittelpflanzen hergestellt werden, zu Diesel und Benzin erreichen. Dies hat dramatische Folgen für Mensch und Umwelt, darunter die Zunahme von Hunger, der Verlust von Biodiversität, die Verletzung von Menschenrechten, und – entgegen aller Erwartungen – negative Auswirkungen für den Klimaschutz.

Im Oktober 2012 hat die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der die Verwendung von Agrokraftstoffen begrenzen soll. Nach Ansicht von Umweltverbänden und Entwicklungsorganisationen ist der Vorschlag der EU-Kommission völlig unzureichend. Sie kritisieren, dass wichtige Nachhaltigkeitskriterien nach wie vor nicht berücksichtigt werden. Die Verbände fordern seit Jahren die Einführung sogenannter ILUC-Faktoren (3) bei der Berechnung der CO2-Bilanzen von Agrokraftstoffen. Dadurch könnte verhindert werden, dass Agrokraftstoffe, bei deren Herstellung mehr CO2 freigesetzt wird als bei der Verwendung konventioneller Kraftstoffe, als Ersatz für Diesel und Benzin verwendet werden.

Ausserdem halten die NGOs die von der EU-Kommission vorgeschlagene Begrenzung der Höchstbeimischungsmenge von Agrokraftstoffen, die aus Nahrungsmittelrohstoffen hergestellt wurden, von 10% auf maximal 5% mit Hinblick auf Klimaschutz und Nahrungsmittelsicherheit als nicht zielführend. Die NGOs fordern deshalb die Entwicklung einer Ausstiegsstrategie aus der Verwendung von nicht nachhaltigen Agrokraftstoffen, um weitere ökologische und soziale Schäden zu verhindern.

Der Vorschlag der Kommission wird im Februar von den EU-Energieministern und im März von den EU-Umweltministern diskutiert werden. Aus diesem Anlass hatten Vertreter der Plattform Cerealkiller in den vergangenen Tagen Wirtschaftsminister Etienne Schneider und Nachhaltigkeitsminister Marco Schank zu einem Meinungsaustausch getroffen.

Die NGOs begrüßen ausdrücklich, dass die beiden Minister die Bedenken der Nichtregierungsorganisationen teilen und deren Forderungen in die laufenden EU-Verhandlungen einbringen wollen. Die NGOs appellieren außerdem an die beiden Minister, die in der CE Delft-Studie vorgeschlagenen Alternativen in den Mittelpunkt der Diskussionen über eine nachhaltige europäische Transportpolitik zu stellen. Dies würde nicht nur zu substantiellen CO2-Einsparungen bis 2020 führen, sondern auch die Entwicklung innovativer Industrien und neuer Arbeitsplätze fördern.

Weitere Informationen:

Martina Holbach, Greenpeace Luxemburg, Tel. 54625224

Bettina Kampman, CE Delft Senior Researcher, Transport & Climate Policy, Tel. +31152150171, kampman@ce.nl

(1) Die Studie wurde in Auftrag gegeben von Greenpeace, Transport & Environment, European Environmental Bureau und BirdLife Europe. Sie und eine 4-seitige Zusammenfassung sind erhältlich auf www.cerealkiller.lu

Die Ergebnisse der CE Delft-Studie in Kurzfassung:

Der Weg zu einer umweltfreundlicheren Transportpolitik beinhaltet:

–       Energieeinsparungen im Verkehrssektor von 15 Prozent bis zum Jahr 2020 durch Maßnahmen wie die verbesserte Fahrzeug-Effizienz und die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene. Dies führt auch zu einer Senkung des Bedarfs an erneuerbaren Energien, die bereitgestellt werden müssen, um das 10%-Ziel erneuerbare Energien im Transportsektor zu erfüllen.

–       Im Rahmen der Erneuerbaren Energien-Direktive und der Kraftstoffqualitäts-Direktive die sofortige Berücksichtigung der Emissionen durch indirekte Landnutzungsänderungen bei der Berechnung der CO2-Bilanzen von Agrokraftstoffen

–       Eine robuste Obergrenze und ein Ausstiegsszenario bis 2020 für die Verwendung von Agrokraftstoffen, die aus landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Rohstoffen hergestellt werden

–       Eine Erhöhung der Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien im Straßen- und Schienenverkehr auf mehr als 1 Prozent des Gesamtbedarfs bis 2020 (152 Petajoule)

–       Die Verwendung von etwa 3 Prozent nachhaltiger Agrokraftstoffe (350 Petajoule bis 2020), die aus Abfällen und Rückständen hergestellt werden (hauptsächlich Biomethan aus landwirtschaftlichen Abfällen und Biodiesel aus Abfallfetten).

–       Bei der Herstellung von Kraftstoffen aus fossilen Quellen: eine signifikante Reduktion der Treibhausgas-Emissionen durch Abfackeln und Entgasen.

(2) die Organisationen, die die Kampagne CEREALKILLER.LU unterstützen: Action Solidarité Tiers Monde (ASTM), Aktioun Öffentlechen Transport (AÖT), Association de Soutien aux Travailleurs Immigrés (ASTI), Attac Luxemburg, Bio-Lëtzebuerg, Bridderlech Deelen, Caritas Luxemburg, Centre for Ecological Learning Luxembourg (CELL), Cercle de

Coopération, Commission luxembourgeoise Justice et Paix, Conférence générale de la jeunesse luxembourgeoise (CGJL), Église Catholique à Luxembourg, Etika, Eurosolar Lëtzebuerg, Fairtrade Lëtzebuerg, Frères des Hommes, Greenpeace Luxemburg, Lëtzebuerger Velos-Initiativ, Mouvement Écologique, natur&ëmwelt, Orang Utan Help Lëtzebuerg, SOS Faim Luxembourg, Vegan Society Luxembourg

(3) ILUC: Indirect Land Use Change. ILUC-Faktoren berücksichtigen die Auswirkungen indirekter Landnutzungsänderungen, die durch die Produktion von Agrokraftstoffen hervorgerufen werden.