Umweltpolitik
  • Print Friendly


Campagne “Keng Reklamme wgl.”: an 30 Joer Dausenden Tonnen Holz, Pabeier an Energie gespuert!

Ein kleiner gelber Aufkleber mit einer großen Wirkung. Auf 60 Prozent der Briefkästen in Luxemburg prangt er inzwischen und fordert: „Keng Reklamme wgl.“ Nun soll das neue Abfallwirtschaftsgesetz für Veränderungen sorgen. Ein kleiner Rück- und Ausblick.

 

Vor über 35 Jahren veröffentlichte der Mouvement Ecologique den Aufkleber „Keng Reklamme we.g.“. Gestartet wurde das Projekt 1985 im Rahmen der grossen Kampagne „Manner Offall – méi recycléieren“. Damals wurde in einer Wanderausstellung, mit spezifischen Aktionen, Broschüren u.a.m. auf die Thematik aufmerksam gemacht. Die Kampagne wurde dann auch tatkräftig von den Regionalen unterstützt. So findet man z.B. in den Archiven des Mouvement Ecologique ein Informationsblatt der Schifflinger Lokalsektion aus dem Jahre 1992, in dem besondere Werbung für die Verbreitung des Aufklebers gemacht wird.

 

Der „gelbe Elefant“ – ein einfacher Aufkleber mit erheblicher Wirkung

Fakt ist: der „gelbe Sticker“ mit dem Elefanten, erstellt vom Poldi Reuter (wie er wohl auf die Idee des Elefanten kam?!) , war recht schnell landesweit auf zahlreichen Briefkästen sehr präsent. Respektiert wurde er zu Beginn aber mal mehr, mal weniger. Sowohl von den Briefträger:innen, als auch von den Verteiler:innen von Werbematerial.

Der Mouvement Ecologique war deshalb recht stetig darum bemüht, den Respekt des Aufklebers einzufrodern. Dabei wurde sich auf ein Präzedenzurteil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe von 1988 basiert. Dieses regelte eindeutig, dass ein Briefkasten als privates Eigentum zu werten sei und jeder Haushalt deshalb bestimmen dürfe, welche Wurfsendungen er akzeptiert oder eben nicht. Im Laufe der Zeit stieg das Bewusstsein für die Verschwendung und immer mehr Menschen wollten auch nicht mehr mit zig Faltblättern und einem entsprechend überquellenden Briefkasten belästigt werden.

 

1996 ging die Post davon aus, dass der Aufkleber auf sage und schreibe 20 % der Briefkästen angebracht worden war. Dies war sicherlich das Resultat einer guten Arbeit des Mouvement Ecologique, bei welcher u.a. die Gemeinden aufgefordert wurden, den Aufkleber an ihre Einwohner:innen zu verteilen, u.a.m. Trotzdem wurde er immer noch nicht ausreichend respektiert.

 

„Sonderaktion“: Zurück an den Absender

Um der klaren Forderung der zahlreichen Menschen Nachdruck zu verleihen, überlegte sich der Mouvement Ecologique eine „etwas andere“ Aktion. So wurde ein Sticker „Zurück an den Absender“ entworfen, den man auf den persönlich adressierten Wurfsendungen anbringen konnte. Die Menschen wurden aufgefordert, die unerwünschten Faltblätter mit diesem Aufkleber zu versehen und in den nächsten Post-Briefkasten einzuwerfen. Das Ziel: Die Post mit den selbst verteilten Papierbergen „zu nerven“, damit diese endlich ihrer Verantwortung übernehmen würde … und dem Absender die Lust an derartigen ungewollten Werbesendungen zu nehmen.

 

Gemeinsame Aktion mit der Gewerkschaft der Briefträger:innen

1995 wurde eine weitere Aktion in die Wege geleitet. Der Mouvement Ecologique verbündete sich mit der Gewerkschaft der Briefträger:innen (FSFL). Denn auch diese „haat et saat“ mit den zahlreichen schweren Werbesendungen, die auch für die Briefträger:innen eine Belastung darstellten. Eine gemeinsame Unterschriftenaktion wurde gestartet.

10.000 Unterschriften zum Respekt des Aufklebers kamen zusammen und wurden der damals zuständigen Ministerin Mady Delvaux-Stehres im Oktober 1995 überreicht. Zentrale Forderung in der Petitionskampagne: Die Post solle Flugblätter, die zu rein kommerziellen Zwecken verteilt werden oder mehr als 30 Prozent Werbung enthalten, nicht an die Haushalte mit Aufkleber auf dem Briefkasten verteilen.

Die Post ging darauf ein und reformierte ihr System, wenn auch nicht ganz im Sinne des Mouvement Ecologique und der Gewerkschaft. Sie wolle, so ihr Argument, nicht für den Auftraggeber entscheiden, an welche Haushalte Wurfsendungen verteilt werden. Dieser könne aber in Zukunft zwischen zwei System auswählen: seine Wurfsendungen an alle Haushalte verteilen („direct mail classique“) oder aber nur an jene ohne Aufkleber („direct mail select“).

Wichtige Neuerung ebenfalls: Im Falle, wo die Post ihre Adressenlisten für Werbezwecke an Firmen weiterleitete, konnten die Bürger:innen auf die Streichung ihrer Adresse aus der Liste bestehen. (Dabei wäre eigentlich eine Umkehr der Situation notwendig gewesen: das Gegenteil hätte dabei eigentlich gelten müssen: ohne ausdrückliche Zustimmung
dürfte man nicht auf der Liste figurieren).

Diese Neuerung („direct mail classique“ sowie „direct mail select“) brachte dann durchaus Verbesserungen mit sich. Wobei der Mouvement Ecologique sowie die Briefträgergewerkschaft von Anfang an auf einer Kontrolle beharrten, inwiefern die Auftraggeber das Recht des Einzelnen respektieren, keine Wurfsendungen erhalten zu wollen.
Bereits im Januar 1997 hakte der Mouvement Ecologique nach und forderte eine erste Bilanz. Es war zwar eine merkliche Vebesserung festzustellen. Ausreichend Luft nach oben blieb natürlich trotzdem.

 

Wegweisendes Urteil und neue gesetzliche Regelungen

Wurde sich bis dahin, wie bereits erwähnt, auf eine deutsche Jurisprudenz basiert, so erfolgte 1998 ebenfalls ein Urteil des Friedensgerichtes in Luxemburg zum Thema. Dabei wurde festgehalten, die Post müsse in diesem Dossier einen Unterschied zwischen Werbung und Information machen. Im öffentlichen Interesse solle sichergestellt werden, dass Informationen politischer, kultureller, sozialer Natur, die von Vereinigungen, Parteien usw. herausgegeben werden, weiterhin an alle Haushalte verteilt werden. Weiterhin müsse geklärt werden, wie hoch der Anteil an kommerzieller Werbung in einer Informationsschrift sein darf, um als solche anerkannt zu werden.

In der « loi du 26 décembre 2012 sur les services postaux » wurden die Werbesendungen dann endlich gesetzlich geregelt. Dieses sieht in Artikel 13/2 Folgendes vor: «L’utilisateur peut interdire l’accès de son installation à tout envoi ne portant pas d’adresse individuelle et n’ayant pas de lien avec sa personne, par simple apposition d’une vignette sur l’installation de réception signalant cette interdiction. Les vignettes seront d’un type approuvé par l’Institut. La responsabilité du distributeur et celle de l’éditeur responsable de l’envoi est engagée dans le cas du non-respect de cette interdiction. »

 

Die Rolle der Tageszeitungen

„Verrückterweise“ führte das Respektieren des Aufklebers dazu, dass sich die Werbung auf die Tagespresse verlagerte. Phasenweise erhielten Haushalte mit den Tageszeitungen sogar Unmengen an Faltblättern von Firmen. Dies stieß bei vielen auf Unmut, aber leider gab es keine Möglichkeit diese Werbeflut einzudämmen. Sie war mit dem Abonnement der Zeitung verbunden. Der Mouvement Ecologique regte die Zeitungsabonnenten an, sich bei dem Zeitungsverlag zu beschweren.

Zeitungsverlage ihrerseits hatten sogar z.T. in Sondermaschinen investiert, um die Faltblätter in die Zeitungen zu integrieren und gaben an, diese müssten sich jetzt auch rentabilisieren.

 

E puer kléng „Geschichte“ ronderëm

Es gab in diesen Zeiten natürlich viel Hin und Her. Gemeinden wollten „ihren eigenen“ Aufkleber herausgeben, in roter Farbe z.B. Dieser wurde dann von den Austrägern nicht „als der gelbe mit Elefant“ erkannt. Entsprechende wütende Telefone erhielt auch der Mouvement Ecologique. Sehr häufig wurde sich beim Mouvement Ecologique beschwert, weil bestimmte Unternehmen den Aufkleber nicht respektierten oder aber Aushilfskräfte ihn nicht kannten… Wobei aber festzustellen ist, dass die absolute Mehrheit den Aufkleber doch beachtete.
Gute Abnehmer:innen für den Aufkleber waren und sind vor allem die Briefträger selbst …. In ihrem eigenen Interesse, jedoch auch aus Überzeugung, trugen sie massiv dazu bei, dass die Aktion zu einem regelrechten „Flächenbrand“ wurde.

Der Aufkleber machte dann auch eine sprachliche Entwicklung mit: Vom „Keng Reklammen „weg.““ in den Anfangszeiten bis zu dem heutigen „wgl.“.

 

Apropos Kostenpunkt der Aktion: Die Rechnung und deren Bearbeitung wären teurer als die Einnahmen durch eine Verrechnung des Aufklebers gewesen. Deshalb wurde der Aufkleber gratis verteilt. Eine Idee, die sich lohnte, denn vielfach wurde sich mit einer Spende für die Aktion bedankt.

 

Neit Offallgesetz – gëtt elo alles besser?

Das Gesetz betreffend die „services postaux“ von 2012 regelt demnach, wie bereits angeführt, dass die Wünsche der Haushalte, die ausdrücklich keine Werbung erhalten wollen, zu respektieren ist. Mit dem neuen Abfallgesetz von 2022 findet eine Umkehr statt: nunmehr ist das Verteilen von Flugblättern zu kommerziellen Zwecken a priori verboten, es sei denn, der Haushalt stimmt deren Erhalt ausdrücklich zu. Leider ist diese Bestimmung im Gesetz jedoch nicht sonderlich gut formuliert (siehe Kasten hierzu). Es wird abzuwarten sein, wie darauf reagiert wird. Der „Elefantenaufkleber“ dürfte aufgrund dieser doch nicht eindeutigen Regelung und der (noch nicht) ganz geklärten Umsetzung wohl auch in Zukunft noch seine Existenzberechtigung behalten.

Zu Sorgen führt die neue Bestimmung bei Druckereien, der Werbebranche und dem Einzelhandelsverband CLC. Argument verschiedener Gegner: die Bestimmung, nur mit der Einwilligung der Briefkastenbesitzer wäre Werbung erlaubt, würde die Werbefreiheit einschränken. Angeführt wird ebenfalls, die Bestimmungen könnten dazu führen, dass Mitarbeiter:innen z.B. in Druckereien entlassen werden oder aber sogar Druckereien gänzlich schließen müssten. Das Argument der Arbeitsplätze sowie das der wirtschaftlichen Vorteile der Werbeflut für Zeitungen und Druckereien prägten die Debatte und die Entwicklung des Aufklebers von Anfang an.

Das Anliegen, Arbeitsplätze zu erhalten und die Zukunft von Betrieben zu sichern, ist sicherlich absolut verständlich und legitim. Doch es mutet in Zeiten der Klima- und Rohstoffkrise befremdlich an, wenn nicht mehr zeitgemäße Leistungen „künstlich“ aufrecht erhalten werden sollen, damit keine Arbeitsplätze verloren gehen.

Ein derartiger Diskurs müsste der Vergangenheit angehören. Viel wichtiger wäre es, schnellstmöglich all jene Arbeitsplätze und ökonomischen Aktivitäten zu bestimmen, die unter Nachhaltigkeitssicht nicht in der Form aufrecht erhalten werden können …. und den Menschen und Betrieben eine neue Zukunft zu geben. Positive Lösungen statt Verharren in nicht mehr wünschenswerten Dienstleistungen müsste das Motto sein….

 

30 Jahre nach Start der Kampagne: eine definitive Lösung durch das neue Abfallwirtschaftsgesetz vom 9. Juni 2022?
« À compter du 1er janvier 2024, le dépôt et la distribution d’imprimés publicitaires à vocation commerciale, à l’exception de la presse d’information gratuite, dans les boîtes à lettres sont interdits, sauf accord formel du destinataire. » (Art. 9/7)Aber: leider wurde verpasst, auch nur annähernd zu definieren, was man unter „imprimés publicitaires à vocation commerciale“ versteht. Gerade dies war in den vergangenen 30-40 Jahren immer wieder der Knackpunkt. Ein Faltblatt einer Immobilienfirma fällt wohl sicherlich unter eine derartige Bestimmung. Aber vermeintlich informative Zeitungen, die gratis verteilt werden, und viel Werbung enthalten, auch?Wie auch wird der „accord formel“ geregelt?Der gelbe Aufkleber wird deshalb seine Bedeutung weiter behalten …

 

Immer wieder kehrende Frage: Wie sehr wird der Aufkleber respektiert

Der Aufkleber wurde, wie im kleinen Artikel angeführt, im Laufe der Jahre immer stärker respektiert. Aber natürlich gibt es immer wieder Ausreißer. So ist z.B. festzustellen, dass häufig die Urlaubsvertretungen von Austräger:innen den Aufkleber nicht unbedingt kennen, oder einzelne Firmen sich nicht daran halten. Recht häufig reicht aber ein Telefonat bei der Firma, um darauf aufmerksam zu machen. Es gibt natürlich auch hartnäckigere, da ist eine Drohung, man wolle gerichtlich vorgehen manchmal notwendig. Aber grundsätzlich ist doch festzustellen, dass der Aufkleber sehr stark respektiert wird.

 

Wie viel Papier wurde eingespart? Eine absolute „Pi mal Daumen-Rechnung“, die aber trotzdem eine ungefähre Größenordnung widergibt

Es lässt sich natürlich nicht genau berechnen, wieviel Holz und Papier im Laufe der Jahre durch den Aufkleber eingespart werden konnte.
Aber eine „Pi mol Daumen-Rechnung“ sei doch erlaubt. Sie ergibt nur eine sehr, sehr grobe Schätzung, und doch ist sie sehr erhellend.
Einige Parameter für diese sehr grobe Einschätzung:

  •  Der Aufkleber wurde etwa 1985 eingeführt – es gibt ihn bis heute. Das ergibt 37 Jahre.
  • 1985 gab es 134.849 Haushalte – heute deren 275.600. Zur einfachen Berechnung sei der „Durchschnitt“ über die Jahre genommen, dieser beträgt dann 205.224 Haushalte.
  • Zu Beginn der Aktion beteiligten sich recht rasch 20% der Haushalte – 2022 etwa 60%. Erneut sei ein Durchschnitt genommen, auch wenn die Zahl wohl höher ist, von 40% – das ergibt 82.090 Haushalte.
  • Es sei zudem von zwei Wurfsendungen pro Woche ausgegangen, dabei eine etwas Schwerere (80 g) sowie eine etwas Leichtere (20 g).
    Der Mittelwert: 50 g. Das ergibt pro Jahr 5,2 kg / Haushalt

Die Gesamtzahl wäre also:
37 Jahre x 82.090 Haushalte x 5,2 kg = 15.794.116 kg

Die Umrechnung, wieviel Holz eingespart wurde, ist leider ebenso „Pi mal Daumen“. Denn jeder Baum hat ein anderes Gewicht. Häufig fir als Faustformel genommen: für 1 kg Papier wird 2,2 kg Holz benötigt. Das wären dann 34.747.055 kg Holz das eingespart wurde.

Wievielen Bäumen entspricht das? Das hängt natürlich von der Art, Alter usw. des Baumes ab. Als Richtwert wird häufig ein 25 Meter hoher und 40 Zentimeter dicker Baum genommen, aus welchem 670 Kilo Papier hergestellt werden können. Das entspräche 23.573,3 Bäumen die eingespart wurden.

Ein sehr beeindruckendes Resultat! Diese „Berechnung“ ist natürlich mit vielen Unsicherheiten behaftet. Phasenweise wurden wohl mehr Werbesendungen verteilt, phasenweise weniger. Die genauen Nutzerzahlen des Aufklebers sind nicht bekannt usw. Und doch: die Zahlen vermitteln einen gewissen Eindruck über den Impakt eines kleinen Aufklebers einer Nicht-Regierungsorganisation.

 

Danke an alle für die Teilnahme an der Aktion über all die Jahre. Und: Der Aufkleber ist natürlich weiterhin gratis beim Mouvement Ecologique erhältlich : secretariat@meco.lu