Bürgerbeteiligung und Stadtentwicklung in Tübingen
Eindrücke einer aufschlussreichen Besichtigung
Knapp 40 Personen nahmen Ende Oktober an einer vom Mouvement Ecologique organisierten Besichtigung nach Tübingen teil. Besonderes High-Light während der Reise: es schneite die beiden Tage über! So zeichnen sich die Fotos nicht durch die Stimmung von Sonnenstrahlen usw. aus…. aber sie beeindrucken hoffentlich durch ihre städtebauliche Aussagekraft. Denn die Reise war durchaus ein “Aha-Erlebnis”. Die Tübinger Verantwortlichen überzeugten, in dem sie mit großem Engagement aufzeigten, welche Initiativen eine Gemeinde ganz konkret ergreifen kann, wenn sie die nachhaltige Entwicklung auf lokaler Ebene ernst nimmt.
Sei es die Aktion “Tübingen macht blau”, wo mit großer Konsequenz für den Klimaschutz geworben wird, der Aufbau des Car-Sharings oder aber die generelle Mobilitätsplanung.
Besonders aufschlussreich war die Strategie im Bereich der Stadtentwicklung: Dank einer gut durchdachten Bürgerbeteiligung wird diese in den Dienst der Ziele der Stadtentwicklung gesetzt… Dadurch werden herausragend attraktive Viertel gestaltet und zudem Geld eingespart im städtischen Haushalt. Der zuständige Bauleiter war so überzeugend, machte derart Mut, dass eine etwas andere Siedlungsentwicklung, lebendige, durchmischte Wohnviertel mit attraktiven Sozialräumen auch möglich ist, dass alle TeilnehmerInnen sofort daran dachten “Den Menschen möchten wir nach Luxemburg einladen”. Herr Soehlke sagte dann auch zu nach Luxemburg zu kommen. Sobald der Termin feststeht, werden wir Sie darüber informieren.
Weitere Informationen:
- Nachhaltige Stadtentwicklung in Tübingen (pdf file 1.2 KB)
- Fernwärme in Tübingen (pdf file 1.3 KB)
- Förderung nachhaltiger Mobilität (pdf file 4.3 KB)
Eine sehr stark befahrene Durchgangsstraße in Tübingen: zu schmal, um zusätzlich zu dem bestehenden Individualverkehr auch noch gute Bedingungen für Radfahrer und Fußgänger zu schaffen. Die Lösung: Priorität für Fußgänger, Radfahrer und Bus: die Autos sollen “schauen, dass sie klar kommen und sich untereinander arrangieren”. Eine Umkehr somit einer klassischen Situation. Bei einer derart stark befahrenen Straße würde man in Luxemburg sagen: sorry Radfahrer, eine Spur passt für euch nicht mehr rein… Tübingen weist auf, dass das Gegenteil geht.
Wir staunten nicht schlecht, als mitten im Wohnviertel ein kleineres Boot auftauchte…
Dabei ist der Grund für Tübinger ganz banal: im Kern des Wohnviertels befindet sich ein Schreiner, der auch kleinere Boote repariert. Dies scheinbar absolut im guten Einverständnis mit den Nachbarn. In Luxemburg derzeit kaum vorstellbar. Kinder können mal dem Schreiner über die Schulter schauen, ein Vogelhaus das kaputt ist wird auch mal gratis für den Nachbarn repariert…. Gelebte Durchmischung im Stadtviertel!
Harmonische und bereichernde architektonische Vielfalt: geplant von den BürgerInnen – ausschließlich verbunden mit Vorteilen für die Gemeinde. Diese gibt Kriterien vor (soziale Durchmischung u.a.m.) und setzt darauf, dass die BürgerInnen diese Prinzipien der Stadtentwicklung besonders kreativ umsetzen. Mit durchschlagendem Erfolg. Wer durch diese Tübinger Viertel geht, kann nur staunen.
Sozialräume in den Vierteln, unterhalten von den EinwohnerInnen: Keine freistehenden Häuser mit links und rechts 3 Meter Rasenflächen, keine “Lotissemente” ohne Herz und Sozialräume: Vielfalt und Lebendigkeit bestimmen das Bild!
Ein zentrales Viertel in der Ortschaft muss umgestaltet werden… kein Problem. Im Laufe einer Jahres wurden die BürgerInnen und die ökonomischen Akteure einbezogen… und nach einem Jahr lag ein Konsens resp. ein Plan vor, der von der Mehrheit getragen wurde und in dessen Erstellungsprozessdem jeder auch die Sichtweise des anderen kennen lernte. Wie weit entfernt ist dies von der Planung bei so manchem Projekt in Luxemburg, wo Gemeinde oder Staat monate- oder jahrlang alleine hinter verschlossenen Türen planen, und sich dann wundern, wenn die BürgerInnen das Projekt nicht mit tragen. Viel schneller, effizienter und demokratischer geht es gemeinsam mit den BürgerInnen. Wann setzt sich diese Erkenntnis auch bei uns durch?
Oberbürgermeister Boris Palmer begrüßte die Luxemburger BesucherInnen und stand während 45 Minuten Rede und Antwort. Alle TeilnehmerInnen waren beeindruckt von der Dynamik und der Konsequenz, dem Einstehen für eine nachhaltige Stadtentwicklung, der Bereitschaft BürgerInnen und Interessegruppen anzuhören, aber auch “Klartext“ zu reden.