Wirtschaft
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Bericht und Replay der Veranstaltung: Wasserstoff ein zukunftsfähiger Energieträger?! Mehr Schein als Sein oder doch eine nachhaltige Alternative?

Als erster Redner ging Oliver Powalla, Experte des Bund für Umwelt und Naturschutz, auf grundsätzliche Fragen zum Thema Wasserstoff ein. Direkt am Anfang seines Vortrags stellte er klar, dass nachhaltiger “grüner” Wasserstoff nur mittels eines Überschusses an Erneuerbaren Energien produziert werden kann (*). Dementsprechend muss sich Power to X (**) dem Tempo des Ausbaus der Erneuerbaren Energien anpassen, beide können und müssen sich parallel entwickeln. Absoluten Vorrang müssten jedoch weiterhin Energiesparen und die Effizienzsteigerung sein. Denn: der Energiebedarf bei unserem heutigen oder sogar steigendem Energiehunger kann weder durch erneuerbare Energien noch durch eine sinnvolle Nutzung von Wasserstoff gewährleistet werden, wie der Referent auf eindrucksvollen Folien darlegte. Erst ist die Reduktion des Verbrauchs geboten und dann ein Umsteigen auf grünen Wasserstoff.

“Falsche Lösungen” wären laut Oliver Powalla weiterhin auf blauen Wasserstoff zu setzen, der auf Basis von Erdgas hergestellt und durch CCS (Carbon Capture and Storage) nur vermeintlich nachhaltig zu sein scheint, jedoch nicht nachhaltig ist (***). Ebenso muss auf Wasserstoff verzichtet werden, der aus nuklearem Strom gewonnen wird.

Die Aufzeichung der Veranstaltung

Insofern ist der erste entscheidende Faktor dafür, inwiefern Wasserstoff als “nachhaltig” angesehen werden,  die Art und Weise wie er produziert wird. Und hier ist nur der “Rückgriff” auf erneuerbare Energie zulässig!

Weiterer entscheidender Faktor ist dann aber, in welchem Sektor er eingesetzt wird.

So ist zum Beispiel ein Irrsinn zu glauben, der Einsatz von Wasserstoff im derzeitigen motorisierten Straßenverkehr wäre eine nachhaltige Lösung. Dies da die Elektro-Mobilität eine weitaus effizientere Lösung darstellt. Prioritär müsste demnach vielmehr auf Sektoren geachtet werden, in denen es bisher keine Alternativen zu fossilen Energieträgern gibt. So zum Beispiel in der energieintensiven Industrie. Der Flugverkehr eigne sich zudem – durch einen potentiell weltweit hohen Verbrauch an Wasserstoff – nicht bzw. nur ganz bedingt für dessen Einsatz.

Im Anschluss ging Energieminister Claude Turmes auf den Stand der Dinge in Luxemburg ein und skizzierte seinerseits den Standpunkt des Energieministeriums bzw. der Regierung. Die Grundaussagen beider Vorträge waren recht deckungsgleich. Auch der Minister sprach sich dafür aus, ausschließlich 100% grünen Wasserstoff zu nutzen, sowie diesen nur in den Bereichen einzusetzen, in denen es keine bessere/effizientere Alternative gibt und die Nutzung von Direktstrom nicht möglich ist. Zudem sollten keine EU und nationale Fördermittel für Wasserstoff aus fossilen Energien oder Atom eingesetzt werden. Das Problem der zur Zeit begrenzten Quantität an verfügbarem grünem Wasserstoff, beantwortete Claude Turmes mit dem Ziel einer verstärkten Forschung und Innovation in diesem Bereich, sowie einer verstärkten europäischen Kooperation und Direktimporten aus unseren Nachbarländern. In diesem Kontext setzt sich Claude Turmes verstärkt für die Entwicklung einer europäischen Wasserstoffinfrastruktur (“Hydrogen Backbone”) ein.

Im Anschluss an die beiden Vorträge hatten alle Teilnehmer die Möglichkeit sich in einer offenen Fragerunde mit Oliver Powalla und Claude Turmes auszutauschen. Angesprochen wurde hierbei u.a. der derzeitige Stand der Dinge des Wasserstoffs-Ausbaus, mögliche verfügbare Quantitäten sowie zukünftige Investitionskosten zur Herstellung nachhaltigen Wasserstoffs.

Die Powerpoint-Folien von Oliver Powalla und Energieminister Claude Turmes finden Sie hier und in den Downloads

(*) Grüner Wasserstoff wird durch das Elektrolyseverfahren gewonnen, bei dem Wasser in seine Einzelteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird.

(**) Verfahren bei dem erneuerbarer Strom (Power) per Elektrolyse in einen anderen Energieträger (X) umgewandelt wird. Beim (X) handelt es sich um zahlreiche flüssige oder feste Endprodukte.

(***) Wasserstoff kann auch auf Basis von Erdgas mithilfe einer Gasreformierung hergestellt werden, hierbei wird versucht, das freiwerdende CO2 aufzufangen und unter der Erdoberfläche zu speichern. Dieses Verfahren nennt man “Carbon Capture and Storage”

 

Forderungen des “BUND FÜR UMWELT- UND NATURSCHUTZ”

 

  • Ausbau erneuerbaren Stroms drastisch beschleunigen: zusätzliche Windräder und Solaranlagen für die H2-Erzugung in Deutschland (Ausbauziel auf 75 Prozent bis 2030 anheben/zusätzliche Strommengen nicht anrechnen).
  • Den Energiebedarf bestehender Anwendungen halbieren und deutliche Erhöhung der Energieeffizienz: Suffizienszenarien zeigen, dass eine überwiegend heimische und größtenteils europäische Wasserstoffversorgung möglich ist.
  • Die Anwendungsbereiche für grünen Wasserstoff politisch regulieren und priorisieren: Die nachgefragten Mengen müssen zeitlich so gesteuert werden, dass sie durch ein nachhaltiges Angebot an grünem Wasserstoff und klimaneutralem Kohlenstoff gedeckt werden können (Nachfrageseite). Ergänzend sind Investitionskostenzuschüsse für Elektrolyseure denkbar (Erzeugungsseite).
  • Entlastung von Abgaben und Umlagen (u.a. EEG-Umlage) für die flexible Nutzung von Überschussstrom und zur Umsetzung von PPAs – Kürzung anderer Industrieausnahmen im Rahmen des EEGs.
  • Der CO2-Preis für die fossilen Konkurrenzprodukte muss drastisch erhöht werden.
  • Lock-out fossilen Wasserstoffs. Der Kohle- und Atomausstieg darf nicht gefährdet werden. Auf den Import blauen Wasserstoffs muss verzichtet werden. Strom aus Erneuerbaren und Elektrolyseure sind technologisch reif genug für eine Hochskalierung und sollten bis zur Marktdurchdringung politisch schwerpunktmäßig gefördert werden.