Naturschutz Land- und Forstwirtschaft
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Artenschutz und Agrarzentrum: Naturschutzorganisationen stellen weitere Mängel fest.

Auf unzulässige Art und Weise werden hier Fakten des Artenschutzprogrammes „Raubwürger“ (Lanius excubitor) (Biver et al. 2009) völlig ignoriert! Dieses hebt das Vorkommen dieser seltenen Art im Atterttal und dessen Umgebung als für Luxemburg wichtiges Dichtezentrum hervor. Das Vorkommen des Raubwürgers „in den Laengten“ gehört zu einem dicht besiedelten Cluster im Raum Pettingen-Mersch-Reckingen, welcher wiederum Teil des Dichtezentrums „Attertal und Umgebung“ ist. Demnach ist die Aussage von Prof. Klein und Dr. Bartel-Steinbach, dass das Untersuchungsgebiet nicht zu einem Verbreitungsschwerpunkt des Raubwürgers in Luxemburg gehört, schlichtweg falsch!

Es ist von Artkennern zudem gewusst, dass Raubwürger oft cluster-artige (angehäufte) Vorkommen bilden. Die Verschlechterung eines einzelnen Reviers kann deshalb Auswirkungen auf die Nachbar-Reviere haben und so zur Schwächung des gesamten Clusters führen. Häufig werden einzeln stehende Reviere schnell aufgegeben. Jedwede Bebauung in Pettingen / Mersch würde demnach durchaus gravierende Auswirkungen für den Raubwürger haben.

Neben diesen fachlichen Fehleinschätzungen betreffend den Raubwürger wurden einige andere Vogelarten überhaupt nicht untersucht, obwohl das Vorkommen von verschiedenen Anhang 1 – oder Rote-Liste-Arten am Standort bekannt sind, z.B. Neuntöter (Lanius collurio), Rotmilan (Milvus milvus) und Kiebitz (Vanellus vanellus). Warum wurden seitens der Promotoren derart zentrale Fakten aus Sicht des Natur- und Artenschutzes ignoriert?

Auch die Haselmaus zählt wegen des Verlusts ihrer Lebensräume zu den gefährdeten Tierarten in Luxemburg sowie in anderen europäischen Ländern. Haselmäuse stehen unter Naturschutz und sind im Anhang IV der Habitatschutzdirektive (92/43/CEE) als besonders streng zu schützende Art von gemeinschaftlichem Interesse der Europäischen Gemeinschaft aufgeführt.

Die Haselmaus Muscardinus avellanarius L. ist der seltenste und bedrohteste Vertreter der Bilche in Luxemburg. Unverständlich erscheint es deswegen, dass bei der sog. Strategischen Umweltprüfung des neuen Agrarzentrums für den Standort ‘In den Laengten’ die bedrohte Haselmaus nicht berücksichtigt wurde. Wonach man nicht sucht, wird eben auch nicht nachgewiesen und hat demnach auch keinen weiteren Einfluss auf die Standortentscheidung…

Aus diesem Grunde wurde am und angrenzend zum Standort ‘In den Laengten’  speziellen in England entwickelten ‚nesting tubes’ ausgebracht, um das Vorhandensein dieser bedrohten Anhang IV Art zu untersuchen. Tatsächlich konnte am 9. Juni 2010 auf der Wildbrücke bei Pëtten ein Haselmausnest in einem der ausgebrachten ‘nesting tubes’ nachgewiesen werden. Die weiterführende Untersuchung seitens der Naturschutzverbände werden die Bedrohung der seltenen Haselmaus durch den geplanten Standort wissenschaftlich erforschen.

Besonders gravierend aber ist zudem das Fehlen eines Gutachtens zum Kammmolch Triturus cristatus. Auch beim Kammmolch handelt es sich um eine Anhang – Art, also eine besonders gefährdete Art für welche in den Mitgliedstaaten der EU besondere Schutzmassnahmen, insbesondere die Ausweisung von NATURA 2000 Gebieten zwingend vorgeschrieben sind. Dies ist in Luxemburg auch passiert, sodass in 3 der 4 NATURA-2000 Gebieten rings um das geplante Agrarzentrum der Kammmolch als Zielart in den „fiches-sites“ des „Règlement grand-ducal du 6 novembre 2009 portant désignation des zones spéciales de conservation“ ausgewiesen ist.

Dies bedeutet, dass einerseits keine Eingriffe in oder um die ausgewiesenen NATURA 2000 Gebiete genehmigt werden dürfen welche dem Schutzziel, also dem Erhalt und Ausbau einer lebensfähigen Population von Kammmolchen direkt oder indirekt gefährden könnten. Dies beinhaltet auch die Pflicht den genetischen Austausch zwischen Populationen der einzelnen NATURA 2000 Gebieten zu gewährleisten (Natura 2000 versteht sich als Netzwerk). Als wandernde Art über relativ kurze Distanzen (1 bis mehrere Kilometer) wird langfristig dieses Schutzziel nur mit sogenannten Trittsteinbiotopen für den Kammmolch zu realisieren sein.

Nun ist es Aufgabe einer SUP mögliche Beeinträchtigungen, insbesondere auf Zielarten zu untersuchen. Umso erstaunlicher dass, in dem vorliegenden Umweltbericht der eventuelle Bau eines Agrarzentrums auf die Populationen des Kammmolches in den drei oben zitierten NATURA 2000 Gebieten überhaupt nicht erfolgte.  Die alleinige Tatsache, dass in unmittelbarer Nähe (<1000 m) des geplanten Agrarzentrums keine Kammmolchpopulation bekannt ist, genügt jedenfalls nicht um in einer strategischen Umweltprüfung den eventuellen Einfluss auf den genetischen Austausch zwischen NATURA 2000 Gebieten mit keinem Wort zu erwähnen.

Auch wenn ein neues Agrarzentrum dringend notwendig ist, so kann es nur an einem Standort entstehen, der u.a. auch alle europäischen Richtlinien und nationalen Gesetzen im Naturschutzbereich entspricht. Dies ist beim derzeit ins Auge gefassten Standort augenscheinlich nicht der Fall. Die anscheinden so teueren, jedoch völlig fehlerhaften und unvollständigen Studien der Promotoren erfüllen diesen Anspruch jedenfalls nicht.

Rolle des Nachhaltigkeitsministeriums ist es, die sehr gravierenden Mängel der SUP der Promotoren nicht hinzunehmen und vor jedweder Entscheidung eine wissenschaftlich korrekte Prüfung.

Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga
Mouvement Ecologique
NATURA