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Alarmierende EU-weite Wasserverschmutzung durch PFAS aufgedeckt – auch Gewässer Luxemburgs sind kontaminiert

 

Eine am Montag vorgestellte Studie des Pesticide Action Network Europe (PAN Europe) und der Umweltorganisation Global 2000, hat eine alarmierende Belastung von Grundwasser und Flüssen durch die wenig bekannte und weitgehend unregulierte „Ewigkeitschemikalie“ Trifluoressigsäure (TFA) offenbart. Der Mouvement Ecologique hat zu dieser Studie Wasserproben aus Luxemburg beigesteuert, die leider auch Teil der erschreckenden Statistik sind: Alle in der Studie getesteten Grund- und Oberflächengewässer aus zehn EU-Ländern (6 resp. 23 Stück) zeigen haushohe TFA-Werte. Nun ist dringend politisches Handeln erforderlich, um schadstofffreie Gewässer zu erreichen!

 

Vielseitig eingesetzte PFAS-Chemikalien führen zu jahrhundertelanger Belastung

TFA ist ein sehr langlebiges und sehr mobiles Abbauprodukt von PFAS-Pestiziden, F-Gasen und anderen Ewigkeitschemikalien (PFAS). Diese PFAS – Per- und Polyfluoralkylsubstanzen – besitzen in der Industrie sehr willkommene Eigenschaften: Sie sind wasser-, fett- und schmutzabweisend sowie chemisch und thermisch sehr stabil. Dies macht sie allerdings auch zum Verhängnis für die Umwelt, da sie Jahrhunderte überdauern können und sie sich in Grundwasser, Böden und in unseren Körpern anreichern. Die PFAS gelangen schon bei ihrer Herstellung, aber besonders während des Gebrauchs und der Entsorgung, in die Umwelt. Die über 10.000 PFAS-Verbindungen, die auf dem Markt sind, werden u.a. bei regenabweisender Kleidung, Kosmetika, Zahnseide oder antihaftbeschichteten Töpfen eingesetzt. Großes Einsatzgebiet stellen aber auch Pestizide dar.

Obwohl TFA das persistente Endprodukt von geschätzten 2.000 PFAS-Verbindungen ist, wurde die Toxizität für die Umwelt und den Menschen bisher nur recht begrenzt untersucht. Die wenigen PFAS, die intensiver erforscht wurden, haben sich alle als sehr giftig erwiesen. Sie weisen reproduktionstoxische, krebserregende, immun- und endokrinschädigende Eigenschaften auf. Diese schädlichen Wirkungen können schon bei sehr geringen Konzentrationen auftreten. Tausende von Menschen sind bereits infolge des Kontakts mit diesen Stoffen erkrankt oder gestorben.

Schlussendlich steht zudem fest, dass nicht die Toxizität jeder einzelnen der mehr als 10.000 PFAS-Chemikalien nachgewiesen werden muss, da ihre ultimative Langlebigkeit ausreicht, um ein generelles Verbot zu rechtfertigen. Dieses giftige Erbe für zukünftige Generationen ist unverantwortlich und selbstzerstörerisch.

 

Haushohe Konzentrationen von TFA in allen Gewässern – auch in Alzette und Dommeldinger Quelle

Für die vorliegende Studie wurden jeweils Flüsse und Grundwasser aus 10 EU-Ländern separat untersucht, wobei pro Land jeweils eine Probe eingereicht werden sollte. Luxemburg hat eine Probe der Alzette sowie eine Probe einer als öffentlich zugänglichen Trinkwasser-Quelle bei Dommeldingen untersuchen lassen.

Die Proben aller Länder enthielten TFA, wobei die Konzentrationen zwischen 370 Nanogramm pro Liter (ng/l) und 3.300 ng/l lagen.

Die Konzentration von TFA in der luxemburgischen Alzette bei Mersch bewegte sich um den europäischen Durchschnitt bei 1.220 ng/l.

Die TFA-Konzentration der luxemburgischen Trinkwasser-Quelle lag bei knapp 1000 ng/l, der Durchschnitt aller Grundwasserproben situierte sich bei 1.025 ng/l.

In 23 der 29 Wasserproben (79 %) überschritten die TFA-Konzentrationen den vorgeschlagenen Grenzwert für „PFAS gesamt“ der EU-Trinkwasserrichtlinie, der bei 500 ng/l liegt.

Da PFAS-Chemikalien nicht komplett durch Kläranlagen gefiltert werden, sind diese Werte umso alarmierender. Der Eintrag dieser Stoffe in die Umwelt gilt es unbedingt zu vermeiden.[1]

Die Resultate der Studie wiederlegen die jahrzehntelange Annahme, dass die Kontamination durch PFAS sich nur auf industrielle Hotspots beschränkt. Hier wird nun deutlich, dass die Verschmutzung weit verbreitet und besonders auch in ländlichen, landwirtschaftlichen Gebieten auftritt.

 

Auch in Luxemburg kommen PFAS-Pestizide zum Einsatz

[2]Die vom Landwirtschaftsministerium 2024 aktualisierten Zahlen[1] über den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft belegen, dass fast die Hälfte der aktuell 38 in der EU zugelassenen PFAS-Pestizide auch in Luxemburg zur Anwendung kommen. Nur wenige dieser Substanzen werden als sogenannte „Big movers“ geführt und sollen somit in absehbarer Zeit vom Markt genommen werden.

 

Doppeltes Versagen von Behörden und Politik

Das deutsche Umweltbundesamt (UBA) hat kürzlich PFAS-Pestizide als wahrscheinliche Hauptquelle der TFA-Wasserverschmutzung in ländlichen Gebieten identifiziert. Die EU-Pestizidverordnung verlangt, dass Pestizide nur dann zugelassen werden, wenn ihre Wirkstoffe und „relevanten Metaboliten“ (= Abbauprodukte) im Grundwasser keine Konzentrationen von 100 ng/l überschreiten. Dass alle Wasserproben diesen Grenzwert weit übersteigen und PFAS-Pestizide dennoch zugelassen bleiben, lässt sich auf eine fatale Entscheidung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vor über 20 Jahren zurückführen: Im Jahr 2003 kam die Behörde zu dem Schluss, dass TFA als „nicht relevanter Metabolit“ betrachtet wird, wodurch es von allen Überwachungsverpflichtungen und Grenzwerten ausgenommen wurde. Dies war laut PAN Europe eine katastrophale Entscheidung, die zu der vermutlich größten und allgegenwärtigsten Kontamination von europäischen Oberflächen- und Grundwässern durch eine menschengemachte Chemikalie in der Geschichte geführt hat.

Doch auch die EU-Wasserrahmenrichtlinie hätte diese Kontamination verhindern müssen. Das in Art. 4 verankerte Verschlechterungsverbot hätte eine jahrzehntelange Eskalation der TFA-Verschmutzung verhindern sollen, tat es aber nicht. Zu den notwendigen Maßnahmen, die das Gesetz fordert, hätte zweifellos ein Verbot von PFAS-Pestiziden und einer anderen Gruppe von PFAS, den sogenannten F-Gasen, gehört, die aus industriellen Kältemitteln in Tausenden Tonnen in die Atmosphäre gelangen und dann über Regen als TFA in den globalen Wasserkreislauf eintreten.

Soweit den Verfassern der Studie bekannt ist, überwachen die meisten der 27 EU-Länder keine TFA-Werte in Oberflächen-, Grund- oder Trinkwasser, noch sind solche Daten öffentlich zugänglich. Bemerkenswerte Ausnahmen sind Deutschland, Belgien, Dänemark, die Niederlande, Norwegen und Schweden.

 

Das Ausmaß der festgestellten TFA-Kontamination erfordert schnelles und entschlossenes Handeln. Die Verfasser:innen der Studie und der Mouvement Ecologique fordern deshalb:

  • ein schnelles Verbot von PFAS-Pestiziden;
  • die Einführung der neuen Gefahrenklassen Persistent, Mobil und Toxisch (PMT) und sehr Persistent und sehr Mobil (vPvM) in die EU-Pestizidverordnung,
  • die Umsetzung des allgemeinen PFAS-Verbots gemäß der REACH-Chemikalienverordnung;
  • die Einstufung von TFA als „prioritäre Substanz“ gemäß der Wasserrahmenrichtlinie und
  • Überwachungsverpflichtungen und Grenzwerte für TFA.

 

Quellen:

[1] https://www.eureau.org/resources/briefing-notes/5612-briefing-note-on-pfas-and-waste-water/file

[2] https://agriculture.public.lu/de/veroeffentlichungen/agrarstatistik/liste-big-movers.html

  • Pressetext von PAN Europe vom 27.05.2024

https://pan-europe.email-provider.eu/web/3xt9c0vpiv/rvq7tvgndn/zhegtcuwvw/fw2q4ajput

(Aufgerufen am 28.05.2024)

 

  • Studie „TFA in Wasser – Schmutziges PFAS-Erbe unter dem Radar“

https://www.global2000.at/sites/global/files/Report_TFA-in-Wasser_Final_DE.pdf

(Aufgerufen am 28.05.2024)

 

(Aufgerufen am 28.05.2024)

 

Die gesamte Pressemitteilung sowie den ausführlichen Bericht der Analysen finden Sie auch als PDF in den Downloads.

 

 

29.05.2024