Rundtischgespräch EU-Wahlen Agrarpolitik: Weitgehendes Unverständnis für eine wirklich neue Agrar- und Ernährungspolitik!
Am 8. Mai hatte die Plattform Meng Landwirtschaft zu einem Rundtischgespräch mit dem Titel „Vers une politique alimentaire commune en Europe?“ in die Rotondes in Bonnevoie eingeladen. Von den 10 Parteien hatten 8 ihre VertreterInnen geschickt, um ihre Vorstellungen darzulegen.
Den Anfang machte Meng Landwirtschaft mit einer kurzen Darstellung der Hauptproblembereiche der EU-Agrar- und Ernährungspolitik sowie einiger Forderungen nach einer neuen Agrarpolitik und einer gerechten Verteilung der vielen Milliarden an Subventionen. Chantal Clément vom Brüsseler IPES Food forderte ihrerseits eine Reform der europäischen Ernährungspolitik und plädierte für einen systemischen Ansatz, um Demokratiedefizite, Nachhaltigkeitsverluste und Silodenken zu überwinden. Landwirtschaftsminister Romain Schneider gab einen Abriss der Landwirtschaftspolitik der Regierungserklärung und erläuterte die Agenda der nächsten Monate, die zu einer neuen EU-Agrarpolitik führen soll und folglich auch zu einem neuen 5-Jahres-Finanzierungsplan für unsere luxemburgische Landwirtschaft. Die 20 % Bio sollen erreicht werden, ohne dann aber auch die restlichen 80% Konventionellen zu vergessen.
Für François Aulner, als Moderator des Abends mit 8 Kandidaten wurde es keine einfache Aufgabe. Dennoch konnten die Zuhörer leicht erkennen, wer etwas Wesentliches zu sagen hatte. Für Chris Bernard von den Piraten standen die Ökologie und der Klimaschutz im Vordergrund, „Bio“ fand er begrüßenswert und dafür solle dann auch weniger Mehrwertsteuer berechnet werden. Tessy Brisbois der ADR, selbst Bäuerin, beklagte die viele Bürokratie und die mangelnde Bereitschaft des Konsumenten einen höheren Preis für seine Lebensmittel zu zahlen. Mara Martins von déi lénk verurteilte, dass die Konsumenten für alles verantwortlich gemacht würden sowie die hohen Preise für Land. Elisha Winckel der LSAP wünschte sich eine ökologische Transition und ging auf die Ausbeutung der Produzenten in den Südländern durch unser Konsumverhalten ein.
Von den 3 erfahrenen Vertretern im EU-Parlament wurde natürlich mehr erwartet. Charles Goerens der DP, selbst ehemaliger Bauer, sah zu den aktuellen Mechanismen der Flächensubventionierung keine Alternative. Die Veränderungen in der Landwirtschaft sollten nach seiner Überzeugung über den Markt passieren, dies auch im Hinblick auf das Ziel bis 2025 20% Biolandwirtschaft zu erreichen. Dabei schob Goerens dem Konsumenten die gesamte Verantwortung für den notwendigen Wandel zu. Da mochte sich mancher Zuhörer gefragt haben, ob die Politik denn nicht auch eine lenkende Position einnehmen müsse. Goerens reduzierte z.B. die Gründe für die stagnierende Zahl an Betrieben, die auf Bio umstellen könnten, mit den fehlenden Bio-Milchabsatzmöglichkeiten. Zur globalen Situation der Landwirtschaft meinte er, dass die internationalen Handelsregeln verändert werden müssten und plädierte sogar für Schutzzölle seitens afrikanischer Länder, damit sie sich vor billigen Importen vor allem aus der EU schützen könnten. Ebenso meinte er, beim Glyphosatverbot sei keine Eile geboten, da nicht eindeutig bewiesen sei, ob es krebserzeugend sei. Christophe Hansen (CSV) war seinerseits davon überzeugt, dass wir in der EU eine gesicherte Landwirtschaftsproduktion haben aber durch den Flächenverlust auch einen Blick auf die produzierte Quantität haben müssen. Er beklagte ebenso die niedrigen Erzeugerpreise und regte an, die Bauern sollten mehr in die Selbstvermarktung einsteigen. Er vermisste darüber hinaus eine Kohärenz in den Politiken. Hansen bemerkte auch richtig, dass mit den Importfuttermitteln Gentechnik in die EU gelangen. Tilly Metz (déi gréng) holte in ihrer Argumentation wesentlich weiter aus, denn sie sah unsere Gesellschaft in einer absurden Situation und verlangte daher einen Paradigmenwechsel. Sie brachte die aktuelle EU-Landwirtschaftspolitik mit Klimakrise, Biodiversitäts- und Regenwaldverlust in Verbindung. Ebenso bekräftigte Sie, dass der Verbraucher mehrheitlich eine andere Lebensmittelproduktion wünsche und die Agrarpolitik die Chance nutzen müsse, diese Forderung jetzt einzulösen.
Die Diskussion wurde zum Schluss noch einmal aufgemischt, nachdem sich 2 junge und engagierte luxemburgische Gemüseproduzenten zu Wort meldeten. Sie forderten die Politiker auf, die wesentlichen Probleme wie Klimawandel und Naturzerstörung zu lösen und sich nun endlich dafür zu engagieren, dass es zu einer neuen Agrar- und Ernährungspolitik kommt. Sie unterstrichen aus eigener Erfahrung, dass die solidarische Landwirtschaft auch bereits in Luxemburg ein erprobtes Modell sei, das Aufmerksamkeit verdiene. Laurent Levard von der französischen NGO GRET skizzierte die Resultate einer neuen Studie, die aufzeigt, welch negativen Impakt die EU-Agrarpolitik auf die Bauern des globalen Südens hat.
Jean Stoll, erfahrener und engagierter Agronom, fasste die Diskussion in einem kompakten Statement zusammen, indem er einige Aussagen der Politiker eindeutig widerlegte und einigen Parteien vorwarf in den letzten Jahren eine total falsche Politik betrieben zu haben, ohne irgendwelche verlässliche Maßnahmen für die Zukunft vorzuschlagen. Er behauptete, dass das Unverständnis über die Funktion der Landwirtschaft dermaßen groß sei, dass eigentlich keine vernünftige Politik dabei herauskommen könne.
Als Meng Landwirtschaft können wir nach diesem Abend festhalten, dass die konservativ-liberalen Vertreter die aktuelle Politik am wenigsten in Frage stellen und auch keine innovativen Vorschläge machen. Das Abstimmungsverhalten der letzten Jahre im EU-Parlament z.B. bei Glyphosat, Biokraftstoffen und Klimaschutz bestätigen diese Haltung. Bei den Äußerungen der jüngeren Vertreter von LSAP und déi lénk sowie bei déi gréng ist eine wesentlich größere Offenheit für neue Wege herauszuhören. Allerdings erfordert es weiter großen Drucks der Zivilgesellschaft, damit die Landwirtschafts- und Ernährungspolitik verändert werden kann. Am Sonntag bei der Europawahl sollten wir alle mit unserer Stimme auch die Weichen der Ernährungs- und Agrarpolitik neu stellen. Beim Gang an die Wahlurne gilt es einen Richtungswechsel mit zu bestimmen, den es unbedingt braucht, damit die Grenzen der Erde und ihrer Bewohner in Zukunft gewahrt werden.
Meng Landwirtschaft:
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