move.Visionäre – Digitalisierung in Zeiten der Klimakrise! Problem oder Lösung?!
Visionäre – Digitalisierung in Zeiten der Klimakrise! Problem oder Lösung?!
Spannender Austausch mit Felix Sühlmann-Faul
Am 6. November legte der Techniksoziologe Felix Sühlmann-Faul auf einer Konferenz des Mouvement Ecologique dar, dass die Digitalisierung nicht von vorneherein Vorteile aus Sicht der nachhaltigen Entwicklung beinhaltet, sondern gezielt in diesem Sinne gestaltet werden muss.
Am Tag darauf bot sich dann während einem „Visionäre Forum“ für move.Aktive die Möglichkeit das Thema im Detail mit dem Referenten zu diskutieren, dies aus der Perspektive von Jugendlichen. Während des zweistündigen Gesprächs wurde vor allem der Frage nachgegangen, welche Probleme und Chancen die Digitalisierung birgt.
Für Felix Sühlmann-Faul ist ein erstes großes Problem der Umstand, dass große Teile der Digitalisierung mit einem Mehr an Angeboten, Dienstleistungen usw. verbunden sind. Die Konsequenz ist ein höherer Energie- und Ressourcenverbrauch. Wenn der Digitalisierungsprozess alleine der Marktwirtschaft überlassen wird, so die Kernaussage, wird er aus ökologischer Sicht mehr Vor- als Nachteile beinhalten.
Als Beispiel führte er die großen Plattformen wie Facebook oder Youtube an. Diese seien darauf ausgerichtet immer weiter zu wachsen und eine größtmögliche Abhängigkeit der Kunden von Ihren Angeboten zu erzeugen. Interaktionen wie Likes und die daraus entstehenden vermeintlichen „Glücksgefühle“ führen dazu, dass große Teile der Gesellschaft das System dahinter ignorieren. Gegensteuern könne man, indem man ein Bewusstsein für das Problem schafft oder aber auch derartige Angebote sowie die Werbung generell stärker reglementiert und ggf. einschränkt. Zusätzlich würde die „Medienerziehung“ eine wichtige Rolle spielen. Nur so könne eine kritische Öffentlichkeit und politischer Gestaltungswille entstehen. Um der Abhängigkeit von großen multinationalen Playern im Digitalisierungsbereich zu entkommen, müssten öffentliche Einrichtungen zudem den Weg von Open Source-Angeboten weitertreiben und gezielt unterstützen.
Ein weiteres Problem sei zudem, dass dieser „Plattformkapitalismus“ vor allem ein Ziel verfolgen würde: weiter wachsen! Felix Sühlmann-Faul illustrierte dies am Beispiel vom Facebook-Konzern, der derzeit das Internet im globalen Süden in entlegene Ecken bringen würde. In diesen Ländern haben die Nutzer dann vor allem auf die vom Konzern betriebenen Internetseiten Zugriff. Ein Umstand, der in soweit problematisch ist, da Facebook als privates Unternehmen selbst den Rahmen und die Regeln für die Nutzung schafft.
Beim Thema „Streaming“ wurde über die riesigen Mengen an Energie diskutiert, die mit Anbietern wie Netflix verbunden sind. Mit Blick auf die Nachhaltigkeit stellt sich dabei natürlich die Frage, was getan werden kann, um diesen Energiehunger zu begrenzen. Eigentlich waren sich alle TeilnehmerInnen darin einig, dass man das Streamen schwer begrenzen, geschweige denn verbieten könne. Doch tatenlos muss man nicht sein: Neben einer zwingenden Energiewende hin zu erneuerbaren Energien wurde z.B. über die Idee einer gestaffelten Besteuerung nach Konsum diskutiert. So schlug z.B. ein Teilnehmer vor, Netflix, aber auch andere Konsumgüter, könnten stärker besteuert werden. Welche das sind, müsste demokratisch ausgehandelt werden.
Intensiv wurde auch über den hohen Ressourcenverbrauch diskutiert, der durch die zunehmende Nutzung von technischen Geräten kontinuierlich weiter ansteigt. Hier muss entschieden entgegengewirkt und z.B. ein Recht auf Reparatur gesetzlich verankert werden, damit der Verbraucher nicht dem Zwang immer wieder ein neues Produkt kaufen zu müssen ausgeliefert ist. Auch in Bezug auf das Design müssen technische Geräte so entworfen werden, dass man sie reparieren kann: Eine Idee wäre hier Reparaturleistungen weniger zu besteuern.
Spannend wurde es auch beim Thema Landwirtschaft. In diesem Bereich steigert die Digitalisierung vor allem die Effizienz, sei es durch GPS Traktoren, mehr Milch und weniger Arbeitsaufwand durch Melkroboter oder durch die Reduzierung der gesprühten Mengen von Pestiziden durch Dünge- und Pflanzenschutzsprüher. Zudem liefern Sonden oder Drohnen digital einen Bericht über den Zustand des Bodens oder der Kulturen. Eines kann die Digitalisierung allerdings nicht liefern; das Hinterfragen eines landwirtschaftlichen Modells, das die Bauern weiter dazu zwingt, immer mehr zu produzieren. Die Konsequenz ist dann eine ökonomische Abhängigkeit der Landwirte von technischen Entwicklungen. Zudem geht Wissen über den Zustand der Böden, Pflanzen und Tiere verloren.
Wir werden mit move. auf jeden Fall weiter am Thema arbeiten und uns auf den nächsten Versammlungen darüber unterhalten, wie wir im Bereich Digitalisierung aktiv werden können. Der Austausch mit Felix Sühlmann-Faul hat uns vor Augen geführt, dass die Digitalisierung gerade dabei ist uns Menschen zu steuern und wir als Gesellschaft gut beraten wären, das Gegenteil sicherzustellen. D.h. wir als Gesellschaft sollen der Digitalisierung einen Rahmen setzen, dies im Sinne des Gemeinwohls.