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Klimawandel: Eine weitere Gefahr für unseren Wald?

Auf diese Frage antwortet Prof. Dr. Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde am 5. Dezember 2019 in seinem Vortrag zu dem der Mouvement Ecologique und die Luxemburger Förstervereinigung gemeinsam eingeladen haben.

In seinem Vortrag zeigte Prof. Ibisch auch einige Fotos aus dem Grünewald. Diesen hatte er am Morgen, im Rahmen einer fachlichen Exkursion mit zahlreichen Förstern sowie Vertretern des Mouvement Ecologique besucht, um sich vor Ort über die Wald-Situation in Luxemburg auszutauschen.

Der anregende Vortrag von Professor Dr. Pierre Ibisch gliederte sich in 4 Kapitel:

A. Was ist

Auf allen Kontinenten der Welt werden Wälder in einem erschreckend hohen Ausmaß vernichtet. Die Ursachen dieser Zerstörung sind sehr unterschiedlich, die industrielle Landwirtschaft mit riesigen Waldrodungen, ebenso wie der Wanderfeldbau, Brände, aber auch forstliche Nutzung, tragen jeweils zu ungefähr einem Viertel der Waldverluste bei. Der Begriff „globale Waldkrise“ beschreibt diesen dramatischen Zustand, mit entsprechenden Folgen für das regionale und weltweite Klimageschehen. Waldverluste und der weiterhin ungehemmte Ausstoß von CO2 u.a. schaukeln sich gegenseitig hoch.

Der Wald ist eben nicht nur ein Nebeneinander von Bäumen, es handelt sich um ein hochvernetztes Ökosystem von Pflanzen, Mikroorganismen und Tieren. Die Ökosystemleistungen des Waldes sind vielfältig: CO2-Senke und Sauerstoffproduktion, Luftfilterung von Schadstoffen, Regulierung der klimatischen Ereignisse, Erosionsschutz und Lebensraum für zahllose oft hochspezialisierte Organismen.

Zwar wird der Begriff Nachhaltigkeit gerne im Kontext der forstlichen Nutzung unserer Wälder bemüht, dieselbe erfolgt jedoch öfters nur fixiert auf die Holzproduktion. In Unkenntnis der komplexen Wechselwirkungen im Lebensraum Wald kommen die weiteren Wohlfahrtswirkungen, wie u.a. der Impakt großer Wälder auf das Klima, unter die Räder immer größerer Forsttraktoren. Dementsprechend wäre eigentlich der Begriff Boden-Wasser-Klimakrise eher angebracht.

Der einst riesige Wald, welcher sich über den ganzen Kontinent Europa erstreckte, ist auf nur mehr ein Drittel zusammengeschrumpft und extrem zerschnitten. Die Waldverluste wirken sich negativ auf die Menge und Verteilung der Niederschläge aus.

Die intensive Nutzung unseres Restwaldes kann nicht mehr die Temperaturextreme abpuffern (in naturnahen Laubwäldern ist die Lufttemperatur bis zu 20°C kühler als in der offenen Landschaft) und die zunehmende Trockenheit abmildern.

Es kann somit festgehalten werden, dass der Klimawandel nicht nur eine Gefahr für den Wald darstellt, sondern die umgekehrte Formulierung genauso zutrifft: die Waldkrise trägt zur Klimakrise bei.

B. Was sein könnte

Alle Klimaszenarien, welche in der Vergangenheit entwickelt wurden sind durch die aktuell erreichten Werte obsolet geworden. Es muss befürchtet werden, dass es noch bedeutend heißer und trockener werden wird, als vorausgesagt.

Dabei sind im Moment unsere CO2equ. Emissionen noch am Steigen. Die Klimakrise wird sich somit verschärfen.

C. Was sein sollte

Naturnahe Wälder mit geschlossenem Kronendach, hoher Artenvielfalt und großer Holzbiomasse, also möglichst alten Bäumen zeigen weit weniger klimabedingte Schäden, als durchforstete Nutzwälder und erlauben auch die temperaturregulierende Funktion des Waldes zu erhalten.

D. Was zu tun und zu lassen ist

Angesichts dieser Entwicklung sollte man jedoch nicht in puren Aktionismus verfallen, sondern sich in Geduld üben und auf die Selbstheilungskräfte der Natur vertrauen, so Prof. Ibisch.

Es gilt ein ökosystembasiertes Waldmanagement zu gewährleisten und den Fokus auf die regulierenden Funktionen und die Resilienz der Waldökosysteme zu legen. Der Versuch mittels  „exotischer“ Holzarten, z.B. aus südlichen Lagen, welche resistenter gegen Trockenheit sind, auf die Klimakrise zu reagieren zu wollen wertet Prof. Ibisch als problematisch. Exotische Arten sind nicht an die hiesigen Ökosysteme angepasst und können diese negativ beeinflussen (z.B. kaum Zersetzung der Blätter von Roteiche, Eukalyptus, u.a., Toxizität für Mikroorganismen, Anfälligkeit für Schädlinge, etc…).

Auch beim Waldmanagement gilt die Devise: Vorsichtsprinzip walten lassen. Vorhandenes Wissen soll genutzt und aus Erfahrungen gelernt werden.

Prof. Dr. Ibisch spricht auch von der Entwicklung einer „Nichtwissenskompetenz“. Hier geht es darum herauszufinden was wir nicht wissen und eventuell auch gar nicht wissen können. Man sollte sich niemals zu sicher sein und auch etablierte Praktiken hinterfragen. Ein systematischeres und bewussteres Lernen ist nötig um adaptives Management umzusetzen.

Prof. Dr. Ibisch stellt aber auch klar, dass die Gesellschaft bereit sein muss für die diversen Ökosystemleistungen des Waldes zu zahlen, damit dieser nicht nur als Holzlieferant wahrgenommen und geschätzt wird. Nur so sei es den Förstern und privaten Wald-Besitzern möglich eine natürliche und ergebnisoffene Waldentwicklung zu fördern und die Wälder Ökosystem sein zu lassen. Würde man den gesellschaftlichen Nutzen der Ökosystemleistungen des Waldes monetisieren, würde deutlich, dass dieser Wert vielfach über dem der Holzentnahme liege.

Dies sei extrem problematisch, vor allem wenn die Holzentnahme so ausgeführt wird, dass sie die restlichen Ökosystemleistungen des Waldes negativ beeinflusst. So hinterlässt z.B. eine einmalige Befahrung einer Rückegasse irreversible Schäden am Waldboden. Die Lichtung der Kronendecke durch die Anlage eines Waldweges hat einen direkten Impakt auf das Luft- und Waldbodenklima.

Und was rät Prof. Dr.  Ibisch dem „normalen Bürger“, der sich für den Schutz und Erhalt unserer Wälder einsetzen möchte? „Kritisch beim eigenen Holzverbrauch sein. Siegel wie FSC, etc… wiegen den Konsumenten oft in falscher Sicherheit und auch für den Weihnachtsbaum gibt es nachhaltige und kreative Alternativen zum Nadelbaum.“

Hier können Sie sich den gesamten Vortrag als Video ansehen:

 

 

Der Referent

Prof. Dr. L. Ibisch ist Professor für Naturschutz an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde, wo er auch eine Forschungsprofessur für ökosystembasierte nachhaltige Entwicklung innehat. Er verfügt über umfassende Erfahrungen in der internationalen Forschung und hat Projekte und Missionen in Europa, Asien, Afrika und vor allem in Lateinamerika geleitet, wo er auch fast 10 Jahre lang gearbeitet und gelebt hat. Er ist Mitbegründer des Centre for Econics and Ecosystem Management (Fachbereich Wald und Umwelt).

Pierre Ibisch war aktiv an der Einrichtung des grenzüberschreitenden UNESCO-Weltkulturerbe-Gebietes «Alte und urzeitliche Buchenwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas» sowie an der Schaffung des ersten asiatischen grenzüberschreitenden Biosphärenreservates im Altai-Gebirge beteiligt.

Seine derzeitigen Projekte werden sowohl auf lokaler wie auch auf globaler Ebene ausgeführt.