Nachhaltige Entwicklung
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Biodiversitéitskris zu Lëtzebuerg: Konsequent handelen – méi Naturflächen a strukturell Reforme néideg

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Das Artensterben ist noch dramatischer, als bisher angenommen. Nicht eine Million, wie es vor einigen Jahren der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) darlegte, sind vom Aussterben bedroht, sondern annähernd 2 Millionen, wie rezente neuere Analysen aufzeigen. Luxemburg macht dabei keine Ausnahme, ganz im Gegenteil: Dreiviertel der europäisch geschützten Arten sind hierzulande gefährdet und die Hälfte der geschützten Habitate befinden sich in einem schlechten Erhaltungszustand.

 

Diese Entwicklung stellt nicht nur einen dramatischen Verlust an Lebewesen und Lebensräumen dar, sondern ist ebenfalls mit deutlichen – bisher im letzten Ausmaß noch nicht überschaubaren – äußerst problematischen Konsequenzen für die Menschen verbunden. Denn der Verlust unserer Biodiversität befeuert die Klimakrise, gefährdet die Ernährungssicherheit, ist mit negativen Folgen für die Gesundheit verbunden, bringt erhebliche gravierende ökonomische Probleme mit sich u.a.m.

 

Desto mehr ist weitaus konsequenteres Handeln angesagt.

Die rechtlichen Voraussetzungen in Luxemburg sind in einem gewissen Sinne recht gut. Neben der EU-Gesetzgebung (Vogel- und Habitat Direktiven) verfügt Luxemburg über eine relativ gute Mittel- bis Langzeitstrategie, den Dritten nationalen Naturschutzplan (PNPN3), den es umzusetzen gilt. Auch das aktuelle Koalitionsabkommen bietet einen recht großen Spielraum.

 

Doch genau an der Umsetzung der Strategie hapert es derzeit. Und was bringen die besten Pläne, wenn sie – im Widerspruch zu legalen Vorgaben – nicht im erforderlichen Ausmaß umgesetzt werden?

 

Erheblicher Handlungsbedarf!

Der Handlungsbedarf ist dabei ernüchternd groß, so sind z.B. gemäß PNPN3 zusätzlich zum Erhalt aller geschützten Arten und Lebensräume folgende Ziele zur Wiederherstellung zu erreichen:

 

Naturnahe Grünland- und Ackerflächen erhalten und renaturieren/anlegen:

4.070 ha Magere Flachlandmähwiesen (BK6510) renaturieren;

9174 ha extensiv genutzte Grünland ohne spezifischen Biotoptyp, vor allem als Weiden für Mutterkuhhaltung, erhalten;

5.010 ha extensive Äcker, Ackerbrachen und Blühstreifen anlegen.

 

 

 

Feuchtgebiete und Trockenstandorte renaturieren:

700 Quellen und kleine Fließgewässer renaturieren;

1.109 Weiher optimieren oder neu anlegen;

1.813 km Fließgewässer renaturieren und 500 km Uferrandstreifen anlegen

694 ha Feuchtgebiete, Großseggenriede, Schilfbestände, Zwischenmoore, Pfeifengraswiesen und Hochstaudenfluren renaturieren;

540 ha Trockenstandorte renaturieren

Hecken und Strukturelemente renaturieren:

1.065 ha Streuobstwiesen wiederherstellen

4.505 ha Hecken und Gestrüpp optimieren

1,7 Mio. Einzelbäume, Baumgruppen und -reihen neu anpflanzen. (EU-weite „3 Billion Trees Initiative“)

 

Probleme sind bekannt

Die eingesetzten Mittel und Instrumente, um sowohl den Erhalt als auch diese Ziele zu erreichen, stehen jedoch in keinem Verhältnis zu den Anforderungen:

  • Die Umsetzung der Gesetze, die einen Schutz sicherstellen sollen, wird nicht ausreichend sichergestellt und kontrolliert; Naturschutzdelikte werden kaum geahndet. Das Resultat: Obwohl es eigentlich illegal ist, geht die Zerstörung und Degradation weiter, ohne dass die öffentliche Hand reagiert! Es ist geradezu absurd, dass parallel zu den festgelegten Zielen zur Renaturierung der Lebensräume, deren (illegale) Zerstörung weiterhin hingenommen wird. Dabei müsste dies doch das oberste (und billigste und am schnellsten erreichbare) Ziel sein.

 

  • Die Mittel zur Umsetzung der Maßnahmen fehlen, sowohl die notwendigen Finanzen als auch ausreichend (qualifizierte) Menschen. Diese Situation wird aber schlichtweg ignoriert, obwohl jedem klar ist, dass somit die Umsetzung nicht gelingen kann. Schutzmaßnahmen beschränken sich zu oft auf „Nebenkriegsschauplätze“ anstatt die Prioritäten des PNPN3 umzusetzen.

 

  • Ohne Reform der Landwirtschaftspolitik sind die Ziele im Offenland nicht zu erreichen, aktuelle Programme sind oft reine Makulatur, öffentliche Fördermittel werden großflächig ohne Mindeststandards und jegliche Zielsetzungen aus Sicht des Biodiversitätsschutzes ausgeschüttet um den Einkommensverlust auszugleichen. Trotz Biodiversitätskrise wird die Landwirtschaftspolitik seit Jahrzehnten nicht grundlegend reformiert und so erhalten Landwirte nach wie vor erhebliche staatliche Gelder, auch wenn die dadurch geför-derte Praxis gerade diese Biodiversitätsziele verletzt!

 

  • Prozedurale und administrative Hürden verhindern das Umsetzen der Ziele. Dabei ist ebenso bekannt, wie sehr veraltete Bestimmungen und Naturschutzgenehmigungsprozeduren den effektiven Schutz erheblich verzögern oder gar blockieren.

 

  • Es erfolgt keine Erfolgskontrolle. Bereits der erste und der zweite Naturschutzplan wurden nur begrenzt umgesetzt. Konsequenzen daraus wurden nicht gezogen. Recht blauäugig wurde einfach ein weiterer Plan verabschiedet, der wohl ebenso scheitern wird, da die (z.T. auch hier erwähnten) Hürden und Mittel zur Umsetzung nicht angegangen werden. Ein regelmäßiges Monitoring der Umsetzung ist geboten. Zusätzlich sollte der Naturschutzplan aufgrund der steten Degradierung und der unzureichenden Renaturierung regelmäßig evaluiert und ggf. überarbeitet werden. Des Weiteren müsste unbedingt vor Erstellung eines weiteren Planes analysiert werden, welche Hürden die Umsetzung erschwerten oder verhinderten.

 

  • Die Rolle der verschiedenen Akteure ist nicht ausreichend geklärt. So ist der Biodiversitätsschutz z.B. nach wie vor keine obligatorische Mission der Gemeinden. Die Klärung der Verantwortlichkeiten ist jedoch die Basis schlechthin für ein Gelingen der Umsetzung der Maßnahmen. Die Anzahl an theoretischen Akteuren mit begrenztem Nutzen (cf. COPIL’s) steigt, für die konkreten Umsetzungsmaßnahmen vor Ort fehlen, dann meist die personellen und finanziellen Mittel.

 

  • Der Austausch sowohl mit Bürger:innen, Gemeinden und Landwirten ist absolut unzureichend. Selbst in weiten Teilen der Bevölkerung besteht nur ein begrenztes Verständnis für ökologische Zusammenhänge. Zudem werden Landwirte oft nicht ausreichend über die Bedeutung vorgeschriebener Maßnahmen informiert und erhalten nur wenig Rückmeldung darüber, ob ihre Bewirtschaftungsmaßnahmen erfolgreich waren. Dies beeinträchtigt natürlich die Akzeptanz solcher Maßnahmen erheblich.

 

  • Die Ökosystemleistungen werden nach wie vor nicht ausreichend gesehen und wertgeschätzt. Landwirte werden immer noch auf die Fläche subventioniert und nicht anhand öko systemischer Leistungen für die Gesellschaft. Im öffentlichen, aber auch im politischen Diskurs wird der ökonomische, gesundheitliche und soziale Nutzen des Biodiversitätsschutzes nach wie vor flagrant verkannt.

 

Konsequentes Handeln ist erforderlich

Die durch die neue Regierung zu treffenden Maßnahmen liegen deshalb auf der Hand:

  • Naturschutz muss ressortübergreifend angegangen werden, das Landwirtschafts- und Umweltministerium müssen gemeinsam zukünftige Strategiepläne verschneiden und ausarbeiten;
  • Das Motto in der Förderung der landwirtschaftlichen Praxis muss lauten: „Public money for public goods“, Förderprogramme müssen reformiert werden, um landwirtschaftliche Betriebe zu ermutigen, extensiver zu bewirtschaften – die landwirtschaftliche Beratungspraxis in dem Sinne reformiert werden. Die Produktion von Lebensmitteln mit Berücksichtigung von Naturschutzaspekten muss gezielt gefördert und mit korrekten Preisen honoriert werden;
  • Die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren gilt es auszubauen, eine ganzheitliche Beratung der Betriebe ist längst überfällig;
  • Die Kommunikation und Information sollten auf allen Ebenen verbessert werden (gegenüber der breiten Bevölkerung, Bauherren und Promotoren, Gemeinden, der Landwirte … );
  • Prozeduren für Naturschutz- und Wassergenehmigungen gilt es zu entschlacken und zu beschleunigen;
  • Waldgesetz und die Waldförderung sind mit dem Biodiversitätsschutz in Einklang bringen;
  • Es müssen zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen für die konkrete Umsetzung zur Verfügung gestellt werden;
  • Ein Barometer (mid-term) für die Umsetzung des 3. Nationalen Naturschutzplan ist vorzusehen.

 

 

Sie finden die ausführlichen Argumente – illustriert an Beispielen – in einer attraktiven bebilderten Broschüre hier:

 

 

 

18.04.2024