Avons-nous besoin de nouvelles «visions» pour un avenir durable et vivable?
Diese Frage beantwortete der Referent Sascha Meinert auf seinem Vortrag am Donnerstag, den 21. November 2019, zu Beginn mit einem eindeutigen „Ja“ – Wir brauchen dringend neue Erzählungen!
Neue Rahmenerzählungen, so Meinert, der auf Einladung vom Mouvement Ecologique und weiteren Partnerorganisationen, gute 90 Minuten zu diesem Thema referierte, beeinflussen die Verhaltensweisen der Menschen auf lange Sicht, denn Erzählungen sind derart in die Kultur der Menschen integriert, dass wir sie irgendwann „Wirklichkeit“ nennen und als solche ansehen.
Den Ausgangspunkt für seine These, erklärte Sascha Meinert anhand anschaulicher Beispiele. Das Dilemma: die Menschen wissen um den Ernst der globalen Lage und sprechen sich generell für Nachhaltigkeit aus. Zu sehr verharren Zahlreiche jedoch in der aktuellen Situation, die Gesellschaft kommt nicht ausreichend voran. Einer der Gründe, warum nicht schneller gehandelt wird, ist dabei wohl, dass die Herausforderungen vor denen wir stehen und die Angst vor dem Unbekannten als zu groß erscheinen um konkret angegangen zu werden. Zielkonflikte und mangelnde Orientierung verleiten uns dazu den Kopf in den Sand zu stecken und oft nur verspätet zu reagieren. Doch heute bieten die früheren Erzählungen, die unsere Gesellschaft prägen – und hier vor allem das Bild des „immer mehr – des konstanten Wachsens“, in einer mit 7,7 Milliarden Menschen besiedelten Welt und ausgebeuteter Natur, keine hinreichenden Antworten mehr.
Eine Lösung sieht Sascha Meinert in der Entwicklung neuer Erzählungen („Frames“), die in Form von Szenarien entwickelt werden können, welche Lösungen und Zukunftsperspektiven aufzeigen sollen. „Szenarien sind Geschichten über die Zukunft, die Menschen bewegen etwas zu tun“ so ein von Meinert gezeigtes Zitat von Ulrich Golüke das er zusätzlich wie folgt erörterte: „Wir brauchen Szenarien und eine begrenzte Auswahl an Alternativen. Die gemeinschaftliche Entwicklung von Szenarien ist ein wirkungsvolles Instrument um die Veränderungsbereitschaft zu stärken und heutige Handlungsmuster grundlegend zu hinterfragen. Kulturelle Rahmenerzählungen können nicht geschrieben werden, sie entstehen wenn die vertrauten Erzählungen nicht mehr hilfreich für unser Leben sind.“ Aber, so Meinert, die Erzählungen von morgen, müssen auf den Erzählungen der Vergangenheit aufbauen.
Die Menscheitsgeschichte sei geprägt durch folgende Erzählungen und Mythen: Heldenmythen, religiöse und wissenschaftlich-demokratische Mythen. Heute jedoch dominieren ökonomische Erzählungen unsere Wertebilder. Dies aus absolut nachvollziehbarem Grund: Basierend auf dem materiellen Mangel der letzten Jahrhunderte haben Politik und Wirtschaft Rahmenerzählungen gebildet bei der Nutzenmaximierung und Ergebnissteigerung im Vordergrund stehen, die Menschen zu extensivem Konsum und kurzfristegem Denken animieren und die Natur nur als „Wertstoff-Quelle“ angesehen wird. Es gälte dabei zudem nur noch, was man messen und rechnen kann. Dabei sei vor allem die Suche nach mehr Effizienz in einem gewissen Sinne ein Trugschluss, denn die konstante Steigerung der Effizienz könnte zu einer gefährlichen Destabilisierung der Systeme führen (cf. Landwirtschaft). Meinert stellte klar, dass diese Erzählungen in einer Zeit, in der eher der Überfluss dominiert, den menschlichen Bedürfnissen nicht mehr gerecht werden. Wir müssen wieder lernen: „genug ist genug“. Wir brauchen weitergehende Erzählungen, in denen wir die Grenzen des Wachstums und unseres Planten akzeptieren und nicht mehr bis zum Limit ausreizen… und bei denen Sinnfindung, Gemeinwohl und Gemeinsamkeiten usw. im Vordergrund stehen.
Mit konkreten Inhaltsvorschlägen, wie die Technik in eine Kultur der Nachhaltigkeit eingebettet und Unternehmen und Erwerbsarbeit wieder neu gedacht werden können; gemeinsam Dinge nutzen zu können statt individuell zu besitzen; einen Genug-Sinn zu entwickeln; gesund zu leben und den Willen zu entwickeln einen Beitrag zu etwas Bedeutsamen zu leisten… zeigte Sascha Meinert einige Ideen dieser neuen Erzählungen. „Es geht im Grunde um vielschichtige Variationen einer „Heldenreise“ – um die Schaffung neuer nachhaltiger zukunftsorientierter Mythen“ die zur Realität werden müssen.
Die Folien des Vortrages, besonders sehr konkrete Anregungen zum Schluss, skizzieren, wie neue Erzählungen vermittelt werden können. Äusserst anregende und konkrete Ideen, die sicher von jedem, der sich damit auseinandersetzt, fortentwickelt werden sollten, aber doch sehr anschaulich interessante Wege der neuen Erzählungen aufzeigen.
Hier können Sie sich den gesamten Vortrag ansehen:
Der Referent:
Sascha Meinert, Politikwissenschaftler und Gründer des Berliner Instituts für prospektive Analysen, erkundet seit über 20 Jahren Fragen der Zukunftsfähigkeit von Organisationen und Gesellschaften. Er hat insbesondere zu Themen der Nachhaltigkeit und dem Wandel der Arbeitswelt zahlreiche Veröffentlichen vorgelegt. Meist in Form von Szenarien, also als unterschiedliche, aber gleichermaßen plausible Geschichten über die Zukunft, die zu einer persönlichen Auseinandersetzung anregen und Menschen bewegen, etwas zu tun.