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Réforme administrative: Nein zu Verschlechterungen für BürgerInnen – ja zu weitreichenderen Reformen!

Die Regierung hat rezent im Rahmen der „simplification administrative“ ein sogenanntes „Omnibus-Gesetz“ vorgelegt. Mittels diesem sollen Prozeduren unterschiedlicher Gesetze vereinfacht werden, dies vor allem im Umwelt- und kommunalen Planungsbereich. Hinter dieser Reform verstecken sich Vorstellungen darüber, welche Rechte BürgerInnen zuerkannt werden, welche gesellschaftlichen Prioritäten gesetzt werden sollen und wie schlussendlich eine gute „gouvernance“ im Interesse aller erfolgen kann.

Der Mouvement Ecologique ist der Überzeugung, dass Prozeduren vereinfacht werden sollen. Eine ganze Reihe von Neuerungen sind somit unproblematisch bzw. zu begrüßen. Aber: knapp ein Dutzend davon würden direkte negative Konsequenzen für die BürgerInnen oder die Gestaltung der Gemeinden haben, sowie problematische Präzedenzfälle im Interesse der Betriebe darstellen. Diese Unausgewogenheit ist wohl u.a. dadurch zu erklären, dass im Vorfeld zwar mit Wirtschaftskreisen, nicht aber mit Akteuren der Zivilgesellschaft, wie den Umweltorganisationen, gesprochen wurde. Insofern sind Verbesserungen am vorliegenden Entwurf dringend geboten. Hierzu zählen vor allem Folgende:

  • Es ist eine Errungenschaft, dass die Entwicklung der kommunalen Flächennutzungspläne (PAG’s) gemäß festgelegten Standards, einer fachlichen Analye und der Erstellung von Entwicklungsszenarien beruht. Dies erfolgt im Rahmen der sogenannten „étude préparatoire“. Gemeinden, die den Entwicklungsprozess ihrer Gemeinde demokratisch angehen wollten, hatten mit dieser Studie eine gute Basis, um im Gemeinderat, in beratenden Kommissionen sowie mit den BürgerInnen aufgrund von Fakten über die zukünftige Entwicklung der Gemeinde nachzudenken im Hinblick auf die Erstellung des PAG. Auch wurden im Rahmen der „étude préparatoire“ wichtige Daten gesammelt, z.B. über denkmalschutzwürdige Gebäude oder Ortsteile, die aktuelle bzw. zukünftige Mobilitätssituation bzw. die Siedlungsentwicklung im Allgemeinen. Es ist deshalb nicht vertretbar, dass diese Studie im neuen Omnibusgesetz in ihrer Essenz in Frage gestellt wird. Wer dies tut, öffnet schlussendlich Tür und Tor für subjektive und kurzfristig orientierte Interessen auf Kosten nachvollziehbarer und langfristig orientierter kommunaler Entwicklungsszenarien. Statt die Studie abzuwerten, gilt es sie aufzuwerten und sie als Grundlage für eine verstärkte Bürgerbeteiligung zu nutzen. Dabei sollte es selbstverständlich sein – auch das regelt das neue Gesetz nicht ausreichend – dass alle Fakten / Unterlagen zur Studie / zum PAG online einsehbar sind.
  • Mit Nachdruck stellt sich der Mouvement Ecologique zudem gegen den im „Omnisbusgesetz“ vorgeschlagenen Weg, in Zukunft die alleinige Verantwortung für die Genehmigung von Werbetafeln den Gemeinden zuzuschieben, und (mit Ausnahme denkmalgeschützter Objekte) den Staat aus seiner Verantwortung zu entlassen. Dies riskiert zu einer unterschiedlichen Handhabung von Gemeinde zu Gemeinde, einem Wildwuchs an Werbetafeln und einer weiteren Lichtverschmutzung in unseren Ortschaften und in der Landschaft zu führen. Wenn die Gemeinden eine Mitverantwortung tragen sollen, dann aufgrund eines „règlement-type“ des Kulturministeriums, das ggf von den Gemeinden verschärft bzw. angepasst werden kann. Das Kulturministerium seinerseits, das für denkmalgeschützte Gebäude und Ortsteile weiterhin zuständig bleiben soll, sollte auch die „secteurs sauvegardés / secteurs protégés“ der Gemeinden berücksichtigen.
  • Der Mouvement Ecologiqe bleibt der Überzeugung, dass das Allgemeinwohl über den Partikularinteressen von Grundstücksbesitzern stehen muss. Bei allem Respekt für die legitimen Interessen des Einzelnen: die öffentliche Hand muss weiterhin die Möglichkeit haben – z.B. bei Reklassierungen von Parzellen im Rahmen einer Flächennutzungsplanung (PAG) – entschädigungsfrei Entscheidungen zugunsten nachvollziehbarer übergeordneter Allgemeininteressen zu treffen. Die aktuellen diesbezüglichen Bestimmungen sollten deshalb beibehalten werden (und nicht wie beabsichtigt gestrichen werden).
  • Vor dem Gesetz sollten alle gleich sein: dieses Grundprinzip muss auch für wirtschaftliche Betriebe gelten. Dass Betriebsgenehmigungen auch angefragt werden und die vorgesehene Prozedur durchlaufen können, wenn ihr Standort (zum Zeitpunkt der Anfrage) im Widerspruch zum Flächennutzungsplan der Gemeinde sind, ist nicht hinnehmbar. Abgesehen von der Schaffung von Präzedenzfällen, die dann auch für andere Bereiche gelten müssen, würde  damit die Politik ihre notwendige Handlungsfreiheit verlieren.
  • Wer glaubt, so wie dies im Rahmen des Omnibusgesetz vorgeschlagen wird, den Staat dadurch effizienter zu gestalten, dass fachliche Gutachten innerhalb von stark verkürzten Fristen (z.B.von einem Monat) erstellt werden müssen, der irrt. Jedwede Entscheidung, die in einem partizipativen Prozess aufgrund einer hohen Fachlichkeit erfolgt, findet eine breitere Akzeptanz und kann entsprechend auch schneller umgesetzt werden. Insofern sollten die reellen Möglichkeiten einer wirklichen Zeitersparnis erkundet werden und nicht die Qualität der Arbeit für einen vermeintlichen Zeitgewinn von 1-2 Monaten geopfert werden.
  • Rechtsprinzip ist derzeit, dass die Rechte von Dritten nicht durch fehlerhaftes Handeln der Verwaltungen geschädigt werden dürfen. Wer nun, wenn auch in begrenztem Ausmaß den „accord tacite“ (bei Nicht-Antwort einer Verwaltung in bestimmten Fällen bei der Überarbeitung eines PAP) einführen will, stellt dieses fundamentale Rechtsprinzip in Frage
  • Wer die „simplification administrative“ zu stark ausschließlich auf die (legitimen) Rechte von Betrieben fokussiert, verliert die BürgerInnen aus den Augen. Auch ihnen gilt es, zusätzlich zu den sehr wenigen im „Omnibusgesetz“ vorgeschlagenen Maßnahmen hinaus, verbreitete Rechte zuzugestehen,  wie das „online“-Setzen von offiziellen Dokumenten oder das fristgerechte Beantworten von Briefen… Die Erstellung eines regelrechten „Code des relations entre le public et les administrations“ nach französischem Vorbild wäre eine sinnvolle Initiative in dieser Richtung.   

Der Mouvement Ecologique möchte in diesem Zusammenhang zudem darauf verweisen, dass zahlreiche von ihm wiederholt angeregten Verbesserungen bis dato nur begrenzt oder gar nicht angegangen wurden, so z.B.

  • eine vulgarisierte und didaktische Darstellung von administrativen Prozeduren;
  • der Ausbau der Bürgerrechte u.a. durch einen verbesserten Zugang zu Informationen, die Benennung von zuständigen Ansprechpartnern für die Bearbeitung von Dossiers und Arbeitsbereichen in Ministerien und Verwaltungen;
  • eine frühere Einbindung von BürgerInnen in Entscheidungsprozesse.

Insofern gilt es die „simplification administrative“ als ein Element einer reformierten „gouvernance“ zu sehen und sie zusätzlich in den Dienst aller BürgerInnen zu setzen. Auch soziale und ökologische Bürgerinteressen und deren Reformansprüche müssen in die weitere Debatte integriert werden.