Wirtschaft
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Rifkin und die „dritte industrielle Revolution“: Statt „Revolution“ – Zementieren des Wachstumsmodells?

Sehr geehrter Herr Staatsminister, sehr geehrte Mitglieder der Regierung,

Es ist sicherlich positiv zu werten, dass Sie unser Land – und vor allem die Wirtschaft – fit für die Zukunft machen möchten, so wie Sie dies unter dem Slogan „die dritte industrielle Revolution“ mit Unterstützung des bekannten amerikanischen Autors Jeremy Rifkin beabsichtigen.

Ihr lobenswertes Ziel ist es dabei, so die offiziellen Verlautbarungen, die Luxemburger Wirtschaft auf die digitale Revolution vorzubereiten und die Herausforderungen des Klima- und Ressourcenschutzes sowie des Ausstiegs aus der fossilen Energieversorgung konsequenter anzugehen. Begrüßenswert ist ebenfalls, dass dabei das Konzept der „Kreislaufwirtschaft“ bzw. der „sharing economy“ (z.B. das Prinzip „Tauschen statt Besitzen“) aufgegriffen wird.

Man mag darüber streiten, ob Luxemburg wirklich einen amerikanischen Publizisten benötigt, um durchaus bekannte Herausforderungen anzugehen. Aber immerhin muss man anerkennen, dass diese Ideen hierdurch in Luxemburg verstärkt thematisiert und in den Fokus gerückt werden. Wenn dies dank Jeremy Rifkin gelingen sollte, kann man das schon als Erfolg werten.

Doch – und hier kommt der große Stolperstein – versteckt sich hinter der „dritten industriellen Revolution à la luxembourgeoise“ eigentlich ein „weiter wie bisher“. Die grundsätzliche Ausrichtung unseres heutigen Wirtschaftssystems, mit seinem inhärenten Wachstumszwang, wird nicht in Frage gestellt.

So wurden Sie, Herr Wirtschaftsminister Schneider, nicht müde auf der Vorstellung der Rifkin-Studie in der Handelskammer mehrfach zu erwähnen, es ginge darum, ein „nachhaltiges Wachstum“ – „grünes Wachstum“ sicherzustellen. Denn ohne Wachstum sei das aktuelle Sozialmodell unseres Landes nicht zu gewährleisten. Was nichts anderes bedeutet, als dass auch nach einer angestrebten dritten industriellen Revolution das Wachstumsprinzip die Essenz unseres Gesellschafts- und Wirtschaftsmodells bleiben würde.

Es ist jedoch nach Ansicht des Mouvement Ecologique ein absoluter Trugschluss weiterhin daran zu glauben, auf einem begrenzten Planeten (oder innerhalb unseres Landes mit begrenztem Raum und Ressourcen) wäre ein unendliches Wachstum möglich. Sicherlich: auch nach Ansicht des Mouvement Ecologique sollen verschiedene Zukunftsbranchen, wie z.B. die der erneuerbaren Energien, wachsen. Doch generell weiterhin am Prinzip der kontinuierlichen Steigerung des Bruttosozialproduktes festzuhalten, ist unserer Meinung nach ein Irrweg. Kommt hinzu, dass immer mehr Menschen in unserem Land die Konsequenzen dieser Entwicklung (Zersiedlung des Raumes, Verkehrsproblematik, Schwund der Biodiversität, Luft- und Lärmbelastung…) hinterfragen. Der im Rahmen der Budgetdebatten in Aussicht gestellte „Ein-Million-Einwohner-Staat“ scheint uns alles andere als konsensfähig zu sein!

Nach Ansicht des Mouvement Ecologique ist es demnach weder ein machbares noch ein wünschenswertes Ziel die “dritte industrielle Revolution à la luxembourgeoise” auf dieses Wachstumsdogma aufzubauen. Es gilt vielmehr endlich einen Ausstieg aus dieser Spirale sicherzustellen, u.a. indem die notwendigen Alternativen zur Finanzierung der Sozialsysteme entwickelt werden.

Ein weiterer Aspekt sei noch hervorgehoben: Sie sind als Regierung mit dem Anspruch einer verstärkten Transparenz und Diskussionskultur angetreten. Dass nun die Arbeitsgruppen, die die Thesen von Jeremy Rifkin mit Leben füllen sollen, nur knapp zweieinhalb Monate Zeit haben, um konkrete Anregungen zu formulieren, spricht jeder reellen Partizipation Hohn. Angesichts der Komplexität der Thematik wird es nicht möglich sein, in dieser viel zu kurzen Zeitspanne zwischen verschiedenen Gesellschaftsakteuren zu diskutieren und gemeinsam Anregungen zu formulieren.

Und nicht zuletzt: so positiv es ist, dass Sie Akteure zusammenrufen und so notwendig es auch ist, dass Wirtschaftsakteure eingebunden sind: Eine reelle Zukunftsstrategie setzt voraus, dass eine ausgewogenere Gewichtung zwischen Wirtschafts-, Arbeitnehmer- und Sozialverbänden sowie Zivilgesellschaft besteht, als Sie dies bis dato sichergestellt haben.

Der Mouvement Ecologique ist der Meinung, dass ein reeller und offener Austausch unter allen Akteuren über die grundsätzliche Orientierung unseres Wirtschaftsmodells unter den gegebenen Bedingungen nicht möglich ist. Deshalb werden wir an den Arbeitsgruppen nicht teilnehmen, sondern vielmehr die Frage des wirtschaftlichen Wachstums verstärkt in den Fokus unserer Arbeit stellen.

Mouvement Ecologique asbl.