Naturschutz Land- und Forstwirtschaft
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Naturschutz zu Lëtzebuerg: Wou sti mäer?

Rezent hatte der Mouvement Ecologique eine Unterredung mit Umweltministerin Carole Dieschbourg und Staatssekretär Camille Gira, in Anwesenheit von einer Reihe Beamten des Ministeriums, zu aktuellen Themen im Naturschutzbereich. Angesichts der Komplexität der Dossiers ist es nicht möglich in diesem kurzen Bericht auf alle Details einzugehen bzw. die Themen auch zufriedenstellend für Nicht-Fachleute aufzuarbeiten. Allerdings soll mit folgendem Bericht doch ein grober Überblick der Diskussionen ermöglicht werden. Falls Sie an detaillierteren Informationen zu dem einen oder anderen Thema interessiert sind oder sich einarbeiten möchten, dann teilen Sie uns dies mit: meco@oeko.lu. Wir stellen Ihnen dann gerne Informationen zur Verfügung bzw. versuchen Ihre Fragen zu beantworten.

Überfällige Reform des Naturschutzgesetzes

Als erster Punkt der Tagesordnung stand die Reform des Naturschutzgesetzes zur Debatte. Bekanntlich wurde unter der vorherigen Regierung ein Reformtext in der Abgeordnetenkammer deponiert. Trotz einiger Mängel sollte nach Ansicht des Mouvement Ecologique dieser Text als Grundlage für die Überarbeitung dienen. Die Ministerin und der Staatssekretär bestätigten der Reformtext würde in der Essenz nicht in Frage gestellt. Allerdings würde die Frage der “Kompensierungen” von Eingriffen in die Natur detaillierter geregelt und auch eine Neustrukturierung des Textes vorgenommen, um somit seine Leserlichkeit zu erhöhen. Außerdem soll die rezente Jurisprudenz, d.h. Gerichtsurteile im Bereich Naturschutz, Berücksichtigung im Gesetz finden. Der Reformtext würde in Bälde vorliegen, so das Ministerium.

Der neue Reformtext müsste nach Ansicht des Mouvement Ecologique in der Tat dringend vorgelegt werden. Dabei wäre es effektiv sinnvoll, die Frage der Kompensierung von Natureingriffen und die dafür festzulegenden “Flächenpools” expliziter zu regeln. Nur müssten jetzt Nägel mit Köpfen gemacht werden!

 

Kompensierung von Eingriffen in die Natur – Ausweisung von “Flächenpools”

Es besteht ein weitgehender Konsens zwischen dem Ministerium und dem Mouvement Ecologique, dass die Kompensierung von Eingriffen in die Natur (z.B. bei der Ausweitung einer Aktivitätszone, einem Bauprojekt…) vor allem auf – nach naturschutzfachlich festgelegten Gebieten in den einzelnen Regionen – den sogenannten Flächenpools erfolgen sollen. Nur so kann gewährleistet werden, dass (etwas salopp ausgedrückt) für Eingriffe in die Natur nicht hier und da einige Obstbäume gepflanzt werden, sondern eine reelle Kompensierung des Verlustes z.B. mittels der ökologischen Aufwertung einer an Naturelementen schwach strukturierten Landschaft erfolgt. Dabei sind auch die gefährdeten Arten zu berücksichtigen.

Diskussionen gab es im Besonderen darüber, welche Flächen in einen Flächenpool einfließen können. Der Mouvement Ecologique besteht darauf, dass Kernzonen von Naturschutzgebieten und andere Gebiete mit einem hohen Schutzstatus nicht als Flächenpools ausgewiesen werden dürfen. In diesen Gebieten sei der Staat sowieso (z.B. über EU-Vorgaben) verpflichtet den natürlichen Zustand zu erhalten bzw. aufzuwerten. Kompensierungen könnten, nach Ansicht des Mouvement Ecologique, somit ausschließlich außerhalb dieser Gebiete erfolgen. Alles andere wäre keine Kompensation!

Die Verantwortlichen des Ministeriums zeigten sich offen in dieser Frage und beabsichtigen ggf. Kriterien im Naturschutzgesetz festzulegen, die bei der Ausweisung von Flächenpools respektiert werden müssten.

Konsens bestand dabei ebenfalls, dass neben dem Staat auch die Gemeinden und Syndikate eine Verantwortung bei der Durchführung dieser Flächenpools obliegt.

Diskutiert wurde dabei auch über die Rolle des « Office National du Remembrement ». Es wird in der Tat staatlicherseits angedacht, diese Institution mit dem Aufbau der Flächenpools, und im Besonderen mit einer Art nationalem Register, zu beauftragen. Nach Ansicht des Mouvement Ecologique wäre eine “condition sine qua non”, dass diese Aufgabenstellung des ONR demokratischer gestaltet und dem Nachhaltigkeitsministerium – und nicht dem Landwirtschaftsministerium – unterstellt würde. Außerdem müsse die fachliche Bewertung der einzelnen Kompensierungsprojekte weiterhin beim Nachhaltigkeitsministerium liegen. Das ONR könne lediglich für administrative Fragen der Flächenpoolgestaltung verantwortlich stehen. Das Ministerium sicherte in diesem Zusammenhang zu, Mindestkriterien als Voraussetzung für die Anerkennung als Flächenpoolbetreiber zu erstellen.

In diesem Zusammenhang regte der Mouvement Ecologique an, die entsprechenden Aufgaben des “comité d’acquisition de l’Etat” (derzeit Finanzministerium) sowie des “Office national du remembrement” (derzeit Landwirtschaftsministerium) im Sinne einer höheren Effizienz zu bündeln und dem Landesplanungsministerium zu unterstellen, dies insbesondere weil der ONR in den letzten Jahren bereits Flächenankäufe und -zusammenlegungen für Straßenbauprojekte und Industriezonen durchführte. Die Ministerin und der Staatssekretär verstanden durchaus die Argumente des Mouvement Ecologique für diesen Vorschlag, wiesen jedoch daraufhin, dass die Maßnahme nicht im Regierungsprogramm vorgesehen sei.

Des Weiteren wurde eine recht fachliche, aber wichtige Frage diskutiert. Bisher müssen die Kompensierungen für Eingriffe in den Wald in der Gemeinde selbst oder in der Nachbargemeinde kompensiert werden. Aus fachlicher Sicht wäre es ebenfalls sehr wichtig dass auch andere Biotope möglichst nahe am “Zerstörungsort” kompensiert würden. Allerdings ist es oft schwierig geeignete Flächen bzw. eine angemessene Maßnahme vor Ort selbst zu finden. Deshalb soll diese Bestimmung aufgehoben werden. Der Mouvement Ecologique drängt dabei aber darauf, dass die Kompensierungsmaßnahmen zumindest im gleichen “Wuchsbezirk” erfolgen müssen, d.h. dass eine naturräumliche Nähe gegeben sein muss. Ansonsten besteht, etwas überspitzt dargelegt, das Risiko, dass Eingriffe im Süden des Landes im Norden kompensiert werden (wobei eine Diskussion darüber geführt werden kann, ob eine leichte Reduktion der Anzahl der Wuchsbezirke möglich und auch fachlich vertretbar ist).

 

Zusammenarbeit zwischen Staat und Gemeinden

Wie bereits angeführt, begrüßt der Mouvement Ecologique die Tatsache, dass das Ministerium die Gemeinden als wichtige Akteure bei Kompensierungsprojekten und der Gestaltung der Flächenpools miteinbeziehen will.

Dem Mouvement Ecologique liegt aber darüber hinaus die Zusammenarbeit im Naturschutzbereich allgemein zwischen Staat und Gemeinden bzw. Gemeindesyndikaten sehr am Herzen. Nach Ansicht des Mouvement Ecologique gäbe es hier einen deutlichen Klärungsbedarf, was das jeweilige Rollenverständnis betrifft. Derzeit ist Naturschutz z.B. keine obligatorische Aufgabe der Gemeinden, d.h. es obliegt den Verantwortlichen der einzelnen Gemeinden ob sie sich hier engagieren oder nicht. Darüber hinaus führt die aktuelle Situation dazu, dass die Verantwortung die die Gemeinden im Naturschutz übernehmen, keine Berücksichtigung bei der Verteilung der Dotation de l’Etat spielt. Es sei im Sinne eines effizienten Naturschutzes die Komplementarität zwischen den verschiedenen Akteuren klarer zu definieren: was ist Rolle der staatlichen Behörden (z.B. der Naturverwaltung), was ist diejenige der Gemeinden (z.B. der Naturschutzsyndikate). Dass beide bei einer Reihe von Projekten zusammenarbeiten sollen, sei eine Selbstverständlichkeit. Bei der anstehenden Überarbeitung des sogenannten « Aktionsplanes Naturschutz – PNPN » sowie im Rahmen der Reform des Naturschutzgesetzes sollte die Aufgabenverteilung im Interesse aller formaler geregelt werden, so das Ministerium. Somit könnten unnütze Differenzen von vornherein verhindert werden: dies wäre auch im Sinne der «simplification administrative».

 

Nationaler Aktionsplan Naturschutz (PNP) wird überarbeitet

Gemäß Gesetz muss der Aktionsplan Naturschutz (PNPN), der den Schutz von Arten und Biotopen mittels konkreter Maßnahmen und entsprechenden Prioritäten regelt, periodisch überarbeitet werden. Der Mouvement Ecologique misst dieser Neufassung eine große Bedeutung bei. In der Tat ist der Aktionsplan ein zentrales Instrument um dem Arten- und Biotopschwund sehr gezielt entgegen zu wirken. Die meisten Arten- und Lebensraumpläne liegen nun vor, nun gilt es sie  konkret vor Ort umzusetzen!

C. Dieschbourg und C. Gira gaben an, noch vor Beginn der “Présidence” würde der neue Aktionsplan vorliegen, er solle nun in einer breiten Konsultation mit allen Akteuren überarbeitet werden.

 

Naturschutz und Landwirtschaft

Ein weiterer Punkt der Tagesordnung war der Zusammenhang zwischen Naturschutz und Landwirtschaft. Das Nachhaltigkeitsministerium gab an, derzeit noch nicht über die Reaktion der EU-Kommission zum Entwurf des “Plan de développement rural” (PDR) informiert zu sein. Informationen zufolge, so der Mouvement Ecologique, zeige Brüssel zahlreiche Schwachstellen am vorliegenden Entwurf des Landwirtschaftsministeriums auf. Das Nachhaltigkeitsministerium wollte diese Aussagen nicht kommentieren und verwies auch auf die diesbezügliche Verantwortung des Landwirtschaftsministeriums.

Was das Dossier der Pestizide betrifft, wäre die Kooperation zwischen Nachhaltigkeits- und Landwirtschaftsministerium erheblich verbessert und eine Reihe von Arbeitsgruppen gegründet worden, so das Ministerium. Die Frage des Mouvement Ecologique, wann die gesetzlich vorgeschriebene Konzertierung mit allen Akteuren erfolge (dies im Rahmen des nationalen Aktionsplanes “Pestizide”) wussten die Vertreter des Nachhaltigkeitsministeriums nicht zu beantworten. Die Einberufung dieses Austausches liege ebenfalls in der Verantwortung des Landwirtschaftsministeriums.

 

Umgang mit Straßenbäumen

In einem weiteren Punkt der Tagesordnung verwies der Mouvement Ecologique darauf, dass die Berichte über sogenannte Baumfällaktionen von Straßenbäumen in der Presse für große Aufregung gesorgt hätten. Zahlreiche Mitglieder und BürgerInnen hätten sich darauf hin an den Mouvement Ecologique gewandt. Für den Mouvement Ecologique steht fest, dass wohl an einigen Stellen kranke Bäume gefällt werden müssten, jedoch keine Fällaktionen von Alleen oder Teilen von Alleen in Frage kommen dürften. Das Nachhaltigkeitsministerium müsse im Vorfeld einer evtl. geplanten Fällung, einen offenen Dialog mit dem Mouvement Ecologique und anderen Akteuren suchen. Nach Ansicht des Mouvement Ecologique wäre der Erhalt von Straßenbäumen aus mehrfacher Sicht ein “Must”. C. Dieschbourg und C. Gira sicherten erneut zu, es wäre zu keinem Zeitpunkt geplant gewesen, weitreichende Baumfällaktionen durchzuführen. Im Gegenteil: derartige Pläne der vorherigen Regierung wären ad acta gelegt. Es würden lediglich punktuelle Maßnahmen getroffen und ein Dialog mit dem Mouvement Ecologique im Vorfeld würde sichergestellt.

Weitere Themen der Sitzung waren u.a. der sektorielle Plan geschützte Landschaften sowie das eher unbefriegende Funktionieren des “observatoire de l’environnement naturel”.

Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass ein sehr lebendiger, kritischer Austausch möglich war, in dem zentrale Naturschutzfragen erörtert werden konnten.