Naturschutz Land- und Forstwirtschaft
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Nationaler Aktionsplan Pestizide: Erhebliche Schwachstellen trotz einer Reihe von Fortschritten

Mitte Dezember 2017 veröffentlichte die Regierung die endgültige Fassung des „Nationalen Aktionsplanes Pestizide“, dessen Ziel die Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden hierzulande ist. In einem Brief an drei Ministerien (Landwirtschaft, Umwelt und Gesundheit) begrüßt der Mouvement Ecologique die Tatsache, dass der Aktionsplan – so wie u.a. von der Umweltorganisation gefordert – gegenüber dem Entwurf nachgebessert wurde. In der überarbeiteten Fassung weist er eine Reihe mehr oder weniger konkreter Maßnahmen, Indikatoren sowie einen Zeitplan auf.

Gleichzeitig beinhaltet der Plan jedoch weiterhin erhebliche Schwachstellen, durch welche er bzw. vor allem eine effiziente Strategie zur Reduktion des Einsatzes an Pestiziden an Glaubwürdigkeit und vor allem Wirksamkeit verliert.

Ein wesentlicher Schwachpunkt liegt im lediglich allgemein formulierten Ziel einer „Reduzierung des Einsatzes von 50% Pflanzenschutzmitteln bis 2030“, wobei sich das Reduktionsziel auf die Gesamt-Tonnage und nicht auf die Menge bestimmter Wirkstoffe bezieht, was wenig Sinn macht. Wenn z.B.  Wirkstoffe aus dem Verkehr gezogen, die in größeren Mengen ausgebracht werden, und gleichzeitig andere Wirkstoffe zugelassen, die bereits bei niedrigeren Dosen wirksam sind und sogar vielleicht eine höhere Giftigkeit aufweisen, so würde sich die Situation sogar verschlimmern und lediglich rein rechnerisch eine positive Bilanz vorgegaukelt!

Auch wenn die formulierten Ziele für die Bereiche Wasserqualität und Biodiversität sicher positiver zu bewerten sind, wartet der Plan hier mit einem groben Widerspruch auf: Im Plan werden die erheblichen Risiken, welche von neonikotinoiden Wirkstoffen (die oft in Form von Saatgutbeizen eingesetzt werden) ausgehen, zwar ausdrücklich benannt. Trotzdem verzichtet man ausdrücklich – entgegen dem was der Aktionsplan der französischen Regierung vorsieht – auf den speziell auf Saatgutbeizen angepassten Indikator, mit welchem der Einsatz dieser Breitbandinsektizide nachverfolgt werden könnte. Und ohne Kontrolle der Ausbringung, kann man auch keine Ziele verfolgen. Unserer Meinung nach ist dies grob fahrlässig und muss nachgebessert werden!

Gefordert wird vielmehr eine Reduzierung des Einsatzes von 50%, allerdings unter Berücksichtigung des im Aktionsplan vorgesehenen allgemeinen Indikators (NODU = NOmbre de Doses Unités), sowie des speziellen Indikators für Saatgutbeizen. Diese Referenzindikatoren ermöglichen die Überwachung der Ziele des Aktionsplanes.

Der Mouvement Ecologique begrüßt, dass der Aktionsplan Maßnahmen zur Analyse der Exposition und des Schutzes von Anwohnern und Dritten umfasst. Angesichts der Tatsache, dass Luxemburg durch das Forschungsinstitut LIST über ein Labor mit international anerkannten Erfahrungen auf dem Gebiet der Haaranalyse zum Nachweis von Pestizidrückständen verfügt, sollte das Gesundheitsministerium kurzfristig eine epidemiologische Studie über die Exposition von Pestiziden der Bevölkerung in Auftrag geben. Die Ergebnisse dieser Studie sollten als zusätzliche Grundlage für die langfristige Analyse des Erfolgs des Aktionsplans dienen.

Weitere Mängel weist der Plan zudem in den Bereichen Aus- und Weiterbildung der Akteure auf. Die Ausbildungsmaßnahmen, z.B. für angehende Landwirte, sind bei weitem nicht ambitioniert genug: Dabei müsste doch gerade hier der Grundstein für die Verringerung der Risiken und des Einsatzes von Pestiziden gelegt werden! Auch die Ansprüche an die geplante Weiterbildung für die Landwirte lassen zu wünschen übrig, sie sind zudem nicht dazu geeignet, einen Beitrag zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln zu leisten.

Der Aktionsplan gibt des Weiteren leider keine Auskunft über die Finanzierung der verschiedenen Maßnahmen und die dafür vorhandenen notwendigen menschlichen Ressourcen: kann die anfallende Arbeit überhaupt mit der sehr dünnen Personaldecke in der zuständigen Verwaltungsabteilung des Landwirtschaftsministeriums durchgeführt werden? Der Mouvement Ecologique ist der Überzeugung, dass nicht! Hier ist eine Aufstockung unabdingbar.

Anstelle die Anwendung von Pestiziden außerhalb des Berufssektors, u.a. im Privatbereich, kurzfristig gänzlich zu verbieten, beschränkt man sich im Aktionsplan zudem auf ein Verbot des Pestizideinsatzes einer nicht präziser definierten Gruppe von „Besorgnis erregenden Produkte“. Was bitte versteht man genau darunter? Hier sind doch Tür und Tor für Streitigkeiten geöffnet, und sowohl der Handel als auch Privatpersonen werden wohl mit dieser schwammigen Formulierung wenig anzufangen wissen. Diese mangelhafte Bestimmung zeigt die Mutlosigkeit auf, welche den Aktionsplan letztlich auszeichnet.

Trotz starker Nachfrage seitens der Verbraucher wird zudem der ökologische Landbau in Luxemburg weiterhin stiefmütterlich behandelt, obwohl die – sonst für alles herhaltende – Rifkinstudie als Ziel 100% Biolandwirtschaft vorgibt. Die Entwicklung des ökologischen Landbaus, der definitionsgemäß ohne Pestizide abläuft, wäre die wirksamste Maßnahme, um die Menge an Pestiziden tatsächlich zu senken und sollte eine Säule einer pestizidfreien Landwirtschaft sein. Leider sucht man im Aktionsplan vergeblich nach quantifizierten Zielen in diesem Bereich.

Fazit: eine Reihe von Fortschritten im nationalen Aktionsplan ist begrüßenswert, wichtige und wohl entscheidende Elemente, die eine wirkliche Reduktion des Einsatzes sicherstellen könnten, fehlen jedoch. Hier wurde in erster Linie versucht, den EU-Anforderungen mit jahrelanger Verspätung (!) und dem öffentlichen Druck in etwa nachzukommen, ohne jedoch Klartext zu reden. Der Weg u.a. zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft ist noch ein sehr weiter…