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Digitalisierung: Fluch oder Segen? Wie lässt sich die Digitalisierung nachhaltig gestalten?

Digitalisierung: Fluch oder Segen?

… so der Titel einer Konferenz vom 6. November 2019 mit Felix Sühlmann-Faul, freier Techniksoziologe,
Experte für Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Auf äußerst sachliche Art und Weise legte Felix Sühlmann-Faul dar, dass die Digitalisierung nicht per se von Vorteil für Mensch und Umwelt sei. Problematisch sei deshalb, wie der Digitalisierungsprozess verlaufe. Es würde quasi so dargestellt, ob die Übernahme dieser Technologie in allen Lebensbereichen per se notwendig und sinnvoll wäre, und entsprechend weder zu hinterfragen noch zu steuern. Dies wäre jedoch schlichtweg falsch, denn – so begrüßenswert diese Technologie in bestimmten Bereichen ist – so problematisch könnte sie in anderen sein. Stichwort: eine neue Mobilitäts-App im Verkehrsbereich könne durchaus Vorteile bieten, aber immer neuere Angebote, die den Konsum ankurbeln, weniger.

Dabei illustrierte Felix Sühlmann-Faul, mit welchem erheblichen Energieverbrauch die Digitalisierung verbunden ist und entsprechend z.T. im krassen Widerspruch zu den Herausforderungen der Klimakrise steht.

Ein Beispiel: Die globale Menge an umlaufenden Daten wird sich von 100 Gigabyte pro Tag im Jahr 1992 auf – für das Jahr 2021 vorausgesagte – 106.000 GB pro Sekunde gesteigert haben. Die heute hauptsächlich durch Streamingangebote wie Netflix, Youtube und pornographische Videoplattformen, verursachte Datenmenge verursacht unter anderem enorme Belastungen für die Umwelt. Nicht nur, dass die Server der Datenzenter über welche die Datenmengen laufen, eine sehr hohe Strom- und Energieversorgung benötigen (diese Rechenzentren werden im Jahr 2025 alleine 3,2% der menschlich erzeugten CO2-Emissionen erzeugen),  sondern auch die Beschaffung der für die Hardware benötigten Rohstoffe muss sehr kritisch hinterfragt werden, verdeutlicht Sühlmann-Faul. So erzeuge beispielsweise der Abbau dafür benötigter seltener Erden riesige, giftige und radioaktive Schlammtümpel und der Rohstoffabbau finanziert z.B. in der Demokratischen Republik Kongo einen blutigen Bürgerkrieg.

Der Referent führte weitere ähnliche Beispiele an, so dass im Laufe des Vortrages immer ersichtlicher wurde, dass der Digitalisierungsprozess von der Politik gestaltet werden muss. Nicht die Technologie soll unser Leben steuern, sondern wir als Gesellschaft die Technologie.

Entsprechend geboten ist es, dass die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzt, z.B. durch eine Senkung der Mehrwertsteuer auf die Reparatur elektronischer Geräte, aber gleichzeitig z.B. auch eine Erhöhung der Steuer auf bestimmte Screeming-Dienste usw. Strengere Auflagen für den Abbau von Rohstoffen sowie eine höhere Besteuerung des Rohstoffverbrauchs sind weitere Elemente. Dabei zeigte sich, dass es nicht DIE Lösung zur Steuerung der Digitalisierung gibt, sondern „Fall für Fall“ beim Bau, bei der Organisation der Mobilität usw. entschieden werden muss, wann sie von Vorteil ist, oder nicht. Jedoch führt kein Weg an einer derartigen bewussten Entscheidung und Gestaltung der Politik vorbei. Leider erfolgt dies derzeit noch nicht.

Auf die Frage, wie mit der übermässigen Nutzung von Internet, dem Umgang mit Tabletts usw. durch Kinder und Jugendliche umgegangen werden soll, hatte der Referent eine klare Ansage: Im Bildungsbereich muss endlich mehr Gewicht auf die Vermittlung von Medienkompetenz gelegt werden! Nicht zuletzt auch, da gemäß Analysen, die Jugendlichen heutzutage die Informationen im Internet so gut wie gar nicht hinterfragen. Nur 3,2% der SchülerInnen in Deutschland trauen den Angaben im Internet nicht unbedingt. Eine äußerst erschreckende Ansage! Insofern könne man nicht sagen op „Tablett-Klassen“ sinnvoll sind oder nicht. Es ginge immer wieder bei einem pädagogischen Projekt, hinsichtlich des Lerninhalts zu fragen: ist hier die Vermittlung mit Tabletts von Vorteil oder nicht? Welches ist das geeginete pädagogische Instrument?

Digitalisierung ist folglich heute sowohl Fluch als auch Segen. Damit letzteres überwiegt muss die Reihe an Maßnahmen für die Nutzung der Chancen der Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit jedoch in die Tat umgesetzt werden.

Am Tag darauf bot sich dann während einem „Visionäre Forum“ für move.Aktive die Möglichkeit das Thema im Detail mit dem Referenten zu diskutieren, dies aus der Perspektive von Jugendlichen. Während des zweistündigen Gesprächs wurde vor allem der Frage nachgegangen, welche Probleme und Chancen die Digitalisierung birgt.

–> Den kompletten Bericht finden Sie hier 

 

Zusammenfassendes Papier mit konkreten Empfehlungen für die Politik oben im Downloadbereich.

Sehen Sie hier einen Ausschnitt des Vortrags zum Thema „Streaming“:

 

Der Referent:

Felix Sühlmann-Faul ist freier Techniksoziologe, Speaker und Autor mit Spezialisierung auf das Thema Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Er ist u.a. Autor des viel gelobten Buches “Der blinde Fleck der Digitalisierung” und stellte seine vom WWF Deutschland und der Robert Bosch Stiftung beauftragten Studie „Digitalisierung und Nachhaltigkeit“ im Rahmen der grossen Konferenz “Bits&Bäume” im November 2018 vor.