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Digitalisierung der Gesellschaft – Nichts weiter als grüner Kapitalismus!? Eine Konferenz mit Timo Daum

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Am 28. Januar 2020 organisierte der Mouvement Ecologique gemeinsam mit mehreren Partnerorganisationen, die nun schon dritte Konferenz zum Thema Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Vor einem gut gefüllten Saal stellte der Referent Timo Daum, in einem spannenden Vortrag, am Beispiel der künstlichen Intelligenz (KI) und dem Green New Deal, die kapitalistischen Mechanismen der Digitalisierung vor und beendete seinen Vortrag mit Thesen und Handlungsansätzen.

Gleich zu Beginn stellt Daum fest, dass der Begriff des „digitalen Kapitalismus“ passender wäre als der alleinige Ausdruck „Digitalisierung“, um die Problematik aus der Perspektive der Nachhaltigkeit darzustellen. Algorithmen, Daten und User funktionieren heute in der gleichen Logik, wie während der industriellen Revolution Maschinen, Rohstoffe und Arbeiter. 

„Immer mehr“ – am Markt sind die Firmen mit den meisten Daten vorne…

Künstliche Intelligenz funktioniert mit großen Datenmengen. Mehr Daten einsammeln heißt bessere Analyse und in der Konsequenz mehr Gewinn, da Kunden direkter und gezielter angesprochen werden können. Durch süchtig machendes Design (Addictive Design) haben Firmen zum Ziel die Benutzer so lange wie möglich an technischen Geräten zu halten, damit so viele Daten wie möglich gesammelt werden können. Marktführer sind Firmen wie IBM, Facebook oder Google. Sie haben die besten Applikationen, die größten Datenzentren, das meiste Geld und können die besten Leute einstellen.

Digialer Kapitalismus – Google’s Suchmaschine und die Verbreitung des Geschäftsmodells

Für Daum ist Google’s Suchmaschine das Sinnbild für den Mechanismus, der hinter dem System der Datensammlung steckt. Dieses System, das privaten Firmen hohe Gewinne einbringt, ist mittlerweile dabei sich auf andere Bereiche wie die Mobilität, die Landwirtschaft aber auch den Gesundheitssektor auszuweiten. Immer mit dem gleichen Ziel: Viele Daten einsammeln um effizienter zu funktionieren. Daum bringt zudem vor, dass Datenmonopolisten wie Google, Firmen wie Ascension, die Gesundheitsdaten sammeln, aufkaufen um diese dann an Krankenhäuser weiter zu verkaufen.

Dass die Erfassung bestimmter Daten sinnvoll sein kann, ist weniger umstritten. Warum aber so wichtige Projekte privaten Firmen überlassen? Gemäss Daum wäre es die Rolle des Staates, diese im Sinne des Gemeinwohls statt der Gewinnmaximierung zu gestalten. Somit könnte auch eine stärkere Anonymisierung erfolgen (der Staat ist z.T. interessiert an den Informationen, und benötigt nicht die Daten um kommerziellen Nutzen daraus zu ziehen).

Green New Deal – Festhalten am Kapitalismus um die Klimakrise zu überwinden?!

Am Beispiel des Green New Deal, der in verschiedensten Formen rund um die Welt diskutiert wird, erläutert Daum dann den Wunsch verschiedener Kreise, es wäre möglich, den Übergang von fossiler Energie auf Nachhaltigkeit zu gestalten, ohne den Kapitalismus abzuschaffen. Dieser ökologische Umbau mit Marktmechanismen erklärt er mit den Argumenten, dass Anhänger des Green New Deal die Innovationsdynamik des Kapitalismus als einzige Möglichkeit sehen um der Klimakrise entgegen zu wirken. Nur in diesem System könnten durch technische Innovation in kurzer Zeit entscheidende Weichen gestellt werden, um dem Klimawandel entgegen zu wirken. Das Argument: Wir können in den paar Jahren, die wir haben um zu reagieren, nicht auch noch den Kapitalismus überwinden.

Das Problem sieht Daum dabei in der dynamischen Obsoleszenz, das heisst, in den unnötigen Anschaffungen, die der Kapitalismus produziert. General Motors ist es gelungen über eine gut ausgearbeitete Strategie Leuten ein Zweitauto zu verkauen, obwohl diese schon eins hatten. In der Digitalisierung arbeitet Amazon an Algorythmen, bei welchem dem Kunden Artikel nach Hause geschickt, die er nicht gekauft hat. Dies in der Hoffnung, dass sie die Wünsche des Kunden so gut kennen, dass die Retouren so gering sein werden und dies daher gewinnbringend sein wird.

Wie regulieren? Die Wichtigkeit Daten öffentlich zu sammeln! 

Abschließend stellt Daum die Frage, wie wir als Gesellschaft mit dieser Entwicklung umgehen können. Dies mit Blick auf das Gemeinwohl. Eine Möglichkeit wäre die Konkurrenz zu fördern, Monopole zu zerschlagen, Firmen zu verpflichten ihre Daten zu teilen und das Offenlegen von Algorythmen für die Allgemeinheit. Für ihn greift diese Lösung jedoch zu kurz, denn es zielt am Kern des Problems vorbei. Bei dieser „Lösung“ gelingt es weder Daten zu sparen, und somit weniger Energie zu verbrauchen, noch die Frage zu klären, ob das Datenabsaugen wirklich nötig ist.

Daum ist überzeugt, dass Daten in die öffentliche Hand geführt werden müssen. Nur so kann ein bewusster Umgang damit erfolgen. Den Einzelnen zu einem bewussten Umgang mit Daten zu ermutigen ist für Daum nicht zielführend und öffnet die Tür für neue Geschäftszweige, die einen bewussten Umgang mit Daten als Geschäftsmodell verkaufen. Zudem muss die öffentliche Hand zum „Master of Algorythms“ werden, an den Zielen der Algorythmen rütteln und darüber entscheiden, wie Algorythmen dem Gemeinwohl dienen können. Es ist wichtig, dass der Staat diese Aufgabe bewusst angeht, sonst wird er irgendwann blind auf diesem Auge. 

In der anschließenden Diskussion wurde unter anderem über den Umgang mit Digitalisierung in der Bildung, das Nutzen von Daten für einen besseren öffentlichen Service und gute öffentliche Ausschreibungen gesprochen. So kann z.B. die öffentliche Hand beim Ausschreiben von Carsharing klare Regeln für das Sammeln von Daten, die Arbeitsbedingungen und das Abstellen festlegen.